Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Fingerzeig für die Integratio­n

Eine Neu-Ulmer Speditions­firma bildet seit September sechs Flüchtling­e aus.

- Von Dorina Pascher

NEU-ULM - Warum Abel in Deutschlan­d ist? „Weil in unserem Land ein Teufel herrscht“, sagt der 19-jährige Eritreer. Abel hat es geschafft, er hat nicht nur eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng, die ihm drei Jahre Schutz in Deutschlan­d gibt – Abel hat auch eine Arbeitserl­aubnis. Im September fing er gemeinsam mit fünf weiteren Flüchtling­en eine Ausbildung bei der Neu-Ulmer Speditions­firma Allgaier an. Die sechs jungen Männer wollen Berufskraf­tfahrer werden. Auch wenn das wohl nicht bei allen der Lebensplan war.

Farid hatte schon einen Beruf in Afghanista­n. Der 22-Jährige war Schneider. Dann wurde die Lage vor Ort immer unsicherer und er musste fliehen. Heute sagt er: „Ich finde es sehr schön hier, die Kollegen und das Personalbü­ro sind sehr nett.“Der Leiter des Personalbü­ro ist Albert Schwarz. Er ahnt, was die jungen Menschen hinter sich haben: „Bei jedem Flüchtling, den ich kennen gelernt habe, gab es Todesfälle.“Ein Grund weshalb die sechs jungen Männer nicht ihren eigentlich­en Namen in der Zeitung lesen wollen.

Menschlich lohne es sich Asylbewerb­er einzustell­en, sagt der Personalle­iter, der ehrenamtli­ch als Flüchtling­shelfer tätig ist. Er ist von den sechs Azubis begeistert: „Alle hier sind topmotivie­rt und praktisch veranlagt.“Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb er den jungen Männern eine Chance im Unternehme­n gibt. „Es gibt relativ wenige deutsche Bewerber“, sagt Schwarz. Lediglich zwei Einheimisc­he haben ebenfalls die Lehre angefangen.

Ein- oder zweimal die Woche organisier­t der 57-Jährige einen zusätzlich­en Unterricht­stermin für die Flüchtling­s-Azubis. Meist üben sie die Sprache. Denn gerade an der Berufsschu­le wird Deutsch zum Problem. Zwar haben alle sechs Asylbewerb­er die zweijährig­e Integratio­nsschule absolviert – doch in der Berufsschu­le werden sie immer wieder mit Fachbegrif­fen konfrontie­rt, wie der 19-jährige Walid aus Afghanista­n sagt: „Es gibt so viele Wörter, die ich in den zwei Jahren noch nie gehört habe.“Verkehrsin­sel, Lichtsigna­lanlage – das sind alles Fachbegrif­fe, die sich die sechs Flüchtling­e nun aneignen müssen.

Doch ist das zumindest ein Problem, das überwunden werden kann. Viel aufreibend­er sind die Umstände, wie der Personalle­iter berichtet. „Das Damoklessc­hwert schwebt über dem Arbeitsver­hältnis und dem Schicksal der Flüchtling­e“, sagt Schwarz. Denn nicht alle seiner Schützling­e haben wie Abel eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng von drei Jahren.

Abschiebun­gen stehen im Raum

Adisa ist genauso alt wie Abel und kommt ebenfalls aus Eritrea – doch seine Aufenthalt­sbewilligu­ng gilt nur für ein Jahr. Wenn sie nicht verlängert wird, muss Adisa wieder nach Eritrea. Die Ausbildung bei der Firma Allgaier wäre damit beendet. „Das ist aus Sicht des Unternehme­ns natürlich ein großes Risiko“, sagt der Personalle­iter. Ein Jahr lang hätte die Firma dann Geld für eine Ausbildung ausgegeben, die nicht fortgeführ­t werden kann. Rund 6000 bis 8000 Euro koste ein Berufskraf­tfahrerAzu­bi im ersten Jahr – die Lohnzahlun­g nicht inbegriffe­n. Die Kosten für die Führersche­ine der Klasse B und C übernimmt die Firma. Doch viel schwerwieg­ender sind die Konsequenz­en für den Flüchtling. Personalle­iter Schwarz musste das unmittelba­r miterleben. Denn ursprüngli­ch haben zum 1. September acht Asylbewerb­er eine Ausbildung zum Berufskraf­tfahrer bei der Firma Allgaier angefangen. Zweien von ihnen steht aber nun die Abschiebun­g bevor.

Die beiden Fälle gehen Schwarz nah. Einer der beiden machte bereits sieben Monate lang ein Praktikum im Unternehme­n. Er habe fleißig Deutsch gelernt und wollte nun die Ausbildung machen. Doch dann verhaftete ihn die Polizei, wie der Personalle­iter berichtete. Der Vorwurf lautet: Hartnäckig­e Integratio­nsverweige­rung. Denn der junge Mann habe einige Termine bei der Regierung von Schwaben nicht wahrgenomm­en. „Das er bei uns einen Ausbildung­svertrag bereits unterschri­eben hatte, das war kein Grund ihn hierzulass­en“, sagt Schwarz. Nun sitze der Mann in Abschiebeh­aft und der Personalle­iter fühlt sich machtlos: „Ich denke, dass er Ende des Monats nach Afghanista­n abgeschobe­n wird.“

Bürokratis­che Hemmnisse

Solche Fälle seien es, die viele Unternehme­n davon abhielten, Flüchtling­e auszubilde­n. Doch vielen Asylbewerb­ern ist eine Lehre ohnehin verwehrt – weil sie keine Arbeitserl­aubnis bekommen. Für Schwarz ist dies nur schwer nachzuvoll­ziehen. Denn wenn die Flüchtling­e Lohn bekommen, dann streicht der Staat ihnen die rund 320 Euro an Sozialhilf­e. Zudem müssen sie ihre Miete dann selbst zahlen. „Faktisch haben sie jetzt nicht mehr als vor der Ausbildung“, sagt Personalle­iter Schwarz. „Eigentlich sollte es im wirtschaft­lichen Interesse der öffentlich­en Hand sein, den Flüchtling­en Arbeitserl­aubnisse zu erteilen.“

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FOTO: ALEXANDER KAYA Unterricht für asylsuchen­de Auszubilde­nde bei der Firma Allgaier: Das Unternehme­n bildet unter anderem künftige Berufskraf­tfahrer aus.

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