Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Man darf immer vom Unmöglichen träumen“
Die aus Friedrichshafen stammende Handball-Nationalspielerin Kerstin Wohlbold über die am Freitag beginnende Heim-WM
FRIEDRICHSHAFEN - Eine Häflerin in Thüringen: Seit 2010 steht die Handball-Nationalspielerin Kerstin Wohlbold, 33, aus Kluftern bei Friedrichshafen beim Thüringer HC, dem erfolgreichsten deutschen Verein im Handball der Frauen der letzten Jahre, unter Vertrag. Wohlbold, im Hauptberuf Grundschullehrerin, zählt als Spielmacherin auf der Position Rückraum Mitte zu den Besten Europas. Seit 2011 ist sie auch Nationalspielerin. Thomas Schlichte hat vor Beginn der Heim-WM, die am Freitag (19 Uhr, SPORT1) in Leipzig mit der Partie der Deutschen gegen Kamerun beginnt, mit Kerstin Wohlbold gesprochen.
Frau Wohlbold, zum ersten Mal seit 20 Jahren findet die HandballWM der Frauen wieder in Deutschland statt. Wie groß ist die Vorfreude?
Gar keine Frage, natürlich sehr groß. Ich denke, dass es ein ganz besonderes Erlebnis ist, eine WM im eigenen Land zu spielen. Wir können es alle kaum noch erwarten. Wir haben uns am Montag getroffen und schon in der ersten Trainingseinheit war dieses Kribbeln schon ziemlich deutlich zu spüren.
Was ist für Sie und die Mannschaft möglich bei diesem Turnier?
Nun, das ist natürlich ganz schwer zu beantworten. Wir haben uns auch noch kein konkretes Ziel gesetzt. Wir wollen das so handhaben wie beim letzten Turnier in Schweden und arbeiten aufgabenorientiert (Deutschland wurde bei der EM Sechster, die Red.). Jede von uns will und wird ihr Bestes geben. Natürlich haben wir alle irgendwo Hamburg – wo das Finale ausgetragen wird – im Hinterkopf. Doch aufgrund der momentanen Verletztensituation ist es schwer, zu prognostizieren, ob wir auch wirklich mit den ganz Großen mithalten können. Wir müssen versuchen, einen guten Start in die Vorrunde zu erwischen, und dann wird man weitersehen.
Ist der Druck bei einer WM daheim größer als bei anderen Turnieren?
Das weiß ich nicht. Ich glaube jedoch, dass die Vorfreude viel größer sein wird. Es ist schön zu wissen, dass meine gesamte Familie, viele Freunde, meine Tante, mein Partner und sogar Lehrerkollegen dabei sein werden und sich bereits Karten besorgt haben. Ich denke, das wird bei vielen Mitspielerinnen ähnlich sein.
Was können Sie als erfahrene Akteurin den jüngeren Spielerinnen mit auf den Weg geben?
Ich denke, dass es darum geht, die Jüngeren mitzuziehen – vor allem auch emotional. Sicherlich ist die Aufregung vor heimischem Publikum oder beim ersten Turnier größer, weil Familie, Freunde und Trainer zuschauen. Für uns erfahrenere Spielerinnen wird es darauf ankommen, gerade auch auf dem Feld keine Hektik zu verbreiten und in wichtigen Situationen für die Jungen auch die Verantwortung zu übernehmen.
Die Männer sind 2007 bei der Heim-WM Weltmeister geworden. Ist Ihnen das auch zuzutrauen?
Favorit ist für mich – eigentlich wie jedes Jahr bei den großen Turnieren – ganz klar Norwegen. Sie haben seit Jahren und immer wieder eine richtig starke Mannschaft dabei und sind auch Titelverteidiger. Aber auch Frankreich zählt für mich zu den Titelanwärtern, weil sie sich immer weiterentwickelt haben und kaum Ausfälle zu beklagen haben. Vom Unmöglichen kann und darf man ja immer träumen. Aber zunächst geht es darum, einen guten Start hinzukriegen. Vor allem auch deshalb, weil wir Gegner haben, die wir noch nicht so gut kennen. Einen ähnlichen Coup zu landen wie die Männer damals – das ist ein richtig langer und schwerer Weg.