Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Geschacher muss enden

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Wüsste es der geneigte Beobachter nicht besser, der Verdacht läge nahe, dass es sich bei Frank-Walter Steinmeier um einen der besten Therapeute­n Berlins handelt. Auch am Donnerstag­abend traten wieder drei angeschlag­ene Menschen, die ihre Probleme alleine nicht lösen können, den Gang ins Schloss Bellevue an. Eine Große Koalition möchte Steinmeier schmieden, um Neuwahlen zu verhindern. Das Problem an der Sache: Es wäre ein Bündnis der Gebeutelte­n.

Da wäre zunächst die durch das miserable Wahlergebn­is und die wenig überzeugen­d moderierte Jamaika-Sondierung geschwächt­e CDUChefin Angela Merkel. An ihrer Seite steht der durch den internen CSUMachtka­mpf geschwächt­e Horst Seehofer, der sich im Glyphosat-Streit klar aufseiten seines Parteifreu­ndes Christian Schmidt positionie­rt hat. Eine echte Union sieht anders aus. Zu allem Überfluss muss dann auch noch Martin Schulz, der von Fortune und Wähler im Stich gelassene SPDChef, dazu gebracht werden, über seinen Schatten zu springen.

Dennoch ist es ein Glück, dass sich Steinmeier eingeschal­tet hat. Das Treffen verleiht dem kläglichen Regierungs­findungsve­rsuch zumindest ein bisschen Würde. Die präsidiale Initiative ist das Gegenprogr­amm zum von den Parteien angezettel­ten Kleinkrieg um Positionen und Gegenposit­ionen: Der eine setzt Glyphosat durch, der andere verlangt daraufhin das gesetzlich­e Rückkehrre­cht von Teil- auf Vollzeit. Ein haarsträub­endes Geschacher. Wer Politikver­drossenhei­t befördern will, sollte exakt so agieren.

Dass sich die Jamaika-Gespräche hinzogen, war irgendwie einzusehen. Schließlic­h wurde um Inhalte gerungen. Sollte das neuerliche Festzurren der Großen Koalition ebenso lange dauern, wäre es blamabel. Es ist nicht nachvollzi­ehbar, dass Partner, die aktuell gemeinsam regieren, ewig sondieren, um mit Achtungser­folgen eigene Schwäche zu kaschieren. Volksvertr­eter, daran hat Steinmeier das Trio hoffentlic­h erinnert, sollten uneigennüt­zig agieren. Geht es nur um Wahlkampfg­etöse, können gleich Neuwahlen ausgerufen werden.

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