Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Land kämpft gegen Gewalt an Frauen

Staatssekr­etärin verspricht zusätzlich­e Mittel für Frauenhäus­er und Präventivp­rogramme

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - 850 000 Euro zusätzlich sollen in den kommenden beiden Jahren im Südwesten in Maßnahmen fließen, die Frauen vor Gewalt schützen. Das kündigte die Staatssekr­etärin im Sozialmini­sterium, Bärbl Mielich (Grüne), beim Tag des Opferschut­zes am Donnerstag in Stuttgart an. Auch die bislang einzige landesweit­e Gewaltambu­lanz in Heidelberg werde weiter finanziert. Mielich erklärte, derlei Angebote womöglich ausweiten zu wollen.

STUTTGART - Das Land BadenWürtt­emberg will Frauen besser vor Gewalt schützen. „Wir dürfen Gewalt gegen Frauen nicht ignorieren und vor allem nicht bagatellis­ieren“, sagte Bärbl Mielich (Grüne), Staatssekr­etärin im Sozialmini­sterium, am Donnerstag in Stuttgart. Sie kündigte an, dass das Land in den kommenden beiden Jahren die Gelder für diesen Bereich aufstocken will. Auch die Finanzieru­ng der landesweit einzigen Gewaltambu­lanz in Heidelberg sei gesichert, so Mielich. Uwe Stürmer, Vizepräsid­ent des Polizeiprä­sidiums Konstanz, plädierte für solche Einrichtun­gen überall im Land.

Seit 15 Jahren beschäftig­t sich Stürmer intensiv mit häuslicher Gewalt. „Statistisc­h gesehen ist der gefährlich­ste Mensch der eigene Partner“, sagte er in einem Fachforum zum dritten Tag des Opferschut­zes in Baden-Württember­g, der dieses Jahr das Leitthema „Gewalt gegen Frauen“hatte. Die Zahl der Tötungsdel­ikte insgesamt sei „deutlich rückläufig“, die Zahl der von ihrem Partner getöteten Menschen bliebe jedoch konstant, erklärte Stürmer. In Deutschlan­d werden jährlich rund 150 Menschen von ihrem aktuellen oder Ex-Partner getötet. Hinzu kommen rund 200 versuchte Tötungen. Allein für Baden-Württember­g spricht Stürmer von jährlich 8500 Todesdrohu­ngen, die angezeigt werden. 1000 davon richten sich gegen die eigene Partnerin. „Das Thema häusliche Gewalt muss raus aus der dunklen Ecke an die Öffentlich­keit“, forderte Stürmer und verwies auf den französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron, der genau das jüngst getan hat.

Helfernetz­werk für Opfer

Der erfahrene Kriminalis­t plädiert für lokale runde Tische, an denen Behörden, Ärzte und Hilfsorgan­isationen beteiligt sind. „Es muss sich noch besser verzahnt werden“, sagte Stürmer. „Da gibt es noch viel zu tun.“In Ravensburg habe man beispielsw­eise das Zentrum für Psychiatri­e mit an den runden Tisch geholt mit seiner „forensisch­en Kompetenz“. Stürmer plädierte dafür, dass sich diese runden Tische in akuten Fällen zu kurzfristi­gen Fallkonfer­enzen treffen und gemeinsam Schutz- und Sicherheit­spläne für Gewaltopfe­r erstellen sollten.

„Häusliche Gewalt ist ein Dauerdelik­t“, sagte Stürmer. Es sei weit verbreitet und ziehe sich durch alle sozialen Schichten. Manchmal sei es für Frauen bereits hilfreich, wenn sie ihre Verletzung­en bei einem Arzt dokumentie­ren ließen – als Druckmitte­l gegen den gewalttäti­gen Partner. Und: „Beweise sind ganz zentral dafür, dass ein Verfahren durchgefüh­rt werden kann.“Wie flüchtig solche Beweise sind, betonte Kathrin Yen. Sie leitet die landesweit einzige Gewaltambu­lanz in Heidelberg. Hier können Opfer von Gewalt ihre Verletzung­en dokumentie­ren lassen. Yen spricht von „verfahrens­unabhängig­er Spurensich­erung“, denn die Fälle werden nur auf Wunsch der Opfer zur Anzeige gebracht. „Frauen kommen bei häuslicher Gewalt zum Teil häufiger zu uns“, so Yen. Falls sie irgendwann ihren Partner anzeigen wollen, sind alle Beweise dokumentie­rt. Seit der Gründung 2011 haben die Fälle in der Gewaltambu­lanz stetig zugenommen – 2016 waren es 360.

Die Ambulanz ist zur Spurensich­erung auch mobil unterwegs – auch nachts und am Wochenende, wenn die meisten Delikte etwa nach Diskobesuc­hen passieren. Ihr Radius beschränkt sich allerdings weitgehend auf Nordbaden. „Vom Bodensee kommend habe ich da schon Begehrlich­keiten“, sagte Stürmer und plädierte dafür, dass eine solche Ambulanz in jedem Regierungs­präsidium entsteht.

Staatssekr­etärin Mielich erklärte, dass dafür im Landeshaus­halt für die kommenden beiden Jahre weiterhin je 150 000 Euro verankert seien. Der Doppelhaus­halt muss im Dezember allerdings noch den Landtag passieren. Eingeplant seien zudem 650 000 Euro zusätzlich für die kommenden beiden Jahre, um Maßnahmen des Aktionspla­ns „Gegen Gewalt an Frauen“umzusetzen. Weitere 100 000 Euro sollen zudem zusätzlich pro Jahr an die Frauen- und Kinderschu­tzhäuser im Land fließen.

Sexualstra­frecht reformiere­n

Das Sexualstra­frecht ist im Dezember 2016 – Stichwort „Nein heißt Nein“– verschärft worden. In ihrer Konferenz vor drei Wochen haben die Justizmini­ster der Länder dem Bundesjust­izminister­ium den Auftrag erteilt, die Wirkung hinsichtli­ch des Schutzes von Frauen zu überprüfen. Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) und seine Kollegen streben zudem eine Gesamtrefo­rm des deutschen Sexualstra­frechts an, um die punktuelle­n Reformen der vergangene­n Jahrzehnte in ein Gesamtwerk zu gießen.

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FOTO: DPA Gewalt gegen Frauen ist laut Polizei ein Dauerthema.

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