Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Große Koalition - ja oder nein? Pro: Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) Contra: Hilde Mattheis (SPD)
Als das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste
Land in der Mitte Europas braucht Deutschland stabile Verhältnisse. So wie die Menschen in Deutschland erwarten auch unsere Partner im Ausland, dass es bald eine handlungsfähige Bundesregierung gibt. CDU/CSU und SPD verfügen im Bundestag über eine klare Mehrheit und sollten jetzt möglichst rasch Verhandlungen über die Bildung einer Koalition aufnehmen. Denn Politiker und Parteien werden gewählt, um zu gestalten und nicht, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Für uns alle muss jetzt gelten: erst das Land, dann die Partei. Auch der Bundespräsident hat zu Recht betont, dass in einer Demokratie der Auftrag zur Bildung einer Regierung der wichtigste Auftrag der Wähler an die Parteien ist und sich niemand drücken darf, der die Verantwortung dafür in den Händen hält. Für wenig überzeugend halte ich das Argument, die Große Koalition sei bei der Bundestagswahl abgewählt worden. Ich kann mich nicht erinnern, mit Politikern der SPD über die Marktplätze gezogen zu sein und für eine GroKo geworben zu haben. Im Gegenteil: Wie alle anderen Parteien haben sich auch CDU/CSU und SPD im Wahlkampf nichts geschenkt und engagiert für ihr inhaltliches und personelles Angebot geworben. Da – wie in der Bundesrepublik üblich – auch im September keine Partei die absolute Mehrheit gewonnen hat, stehen wir nun vor der Aufgabe, sinnvolle Kompromisse zu finden und dem Land eine stabile Regierung zu geben. Die Union ist dazu bereit und erwartet, dass auch die SPD ihre Verantwortung für Deutschland und Europa wahrnimmt.
Die Große Koalition sollte in der Demokratie immer die Ausnahme sein. Da Union und SPD im Kern andere Vorstellungen von der gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes haben, sind in einem solchen Bündnis zu oft Formelkompromisse nötig. Das stärkt die politischen Ränder, allen voran den rechten Rand. Die lähmende Dauer-GroKo in Österreich ist hier warnendes Beispiel. Die SPD muss daher in der Opposition ein Bollwerk gegen Rechts bilden. Hinzu kommen die Foulspiele der CDU/CSU. Vieles, was uns Sozialdemokraten wichtig war und ist, wird trotz Koalitionsvertrag von der Union verwässert oder blockiert. Wir haben bis heute keine Solidarrente, kein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit und einen nur mühsam ausgehandelten Kompromiss bei der Pflegeberufe-Ausbildung, obwohl das 2013 alles vereinbart wurde. Es reicht aber jetzt nicht mehr, sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu verständigen, da wir damit die entscheidenden Fragen unserer Gesellschaft wie Rente, Gesundheitsversorgung, Zukunft der Arbeit und so weiter eben nicht beantworten. Das führt zu Recht zu Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern, die diesem Bündnis deswegen am 24. September einen deutlichen Denkzettel verpasst haben. Nun so zu tun, als sei alles in Ordnung und die Parteien machen weiter wie bisher, ist die falsche Antwort auf dieses Wahlergebnis. Angela Merkel trägt die Verantwortung für die Regierungsbildung, nicht die SPD. Die Kanzlerin muss aus der Gemütlichkeit der für sie sicheren Großen Koalition raus und neue Wege gehen, zum Beispiel mit einer Minderheitsregierung.