Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kronzeuge
Ein Prozess in den USA erschüttert die Türkei. Als der türkischiranische Goldhändler Reza
Zarrab vor einem Gericht in New York seine Aussage als Zeuge der Anklage begann, hielten Regierung und Opposition in Ankara den Atem an. Vor dem Richter schilderte Zarrab, wie er allein den früheren türkischen Wirtschaftsminister Zafer Caglayan mit rund 50 Millionen Euro, sieben Millionen Dollar und 2,4 Millionen Lira schmierte.
Zarrabs Aussage bringt Präsident Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis. Der 34-jährige Zarrab, der Anfang 2016 in Florida festgenommen wurde, zog zu Beginn des Jahrzehnts einen schwunghaften Goldhandel zwischen der Türkei und dem Iran auf. Dabei umging er US- und UN-Sanktionen gegen Teheran. Der Geschäftsmann zahlte nach eigenen Worten hohe Schmiergelder an die türkische Regierung, um die Deals zu ermöglichen. Türkische Staatsanwälte prangerten dies bereits vor Jahren an. Erdogan bezeichnete den bis in sein engstes Umfeld reichenden Skandal als Komplott seines Erzfeindes Fethullah Gülen und ließ die Ermittler feuern.
Monatelang hatte Erdogan versucht, die US-Regierung zur Freilassung von Zarrab zu bewegen, um peinliche Enthüllungen vor Gericht zu vermeiden. Als die Versuche scheiterten, traf Zarrab eine Vereinbarung mit der US-Staatsanwaltschaft. Für seine Aussage kann er auf Strafminderung hoffen. Angeklagt in dem US-Prozess ist nicht Zarrab, sondern Mehmet Hakan Atilla, Vizechef der staatseigenen türkischen Bank Halkbank, die in den Goldhandel verstrickt gewesen sein soll. Zarrab bezichtigte auch den ehemaligen EU-Minister Egemen Bagis der Mithilfe. In der Untersuchungshaft habe er Drohungen erhalten, sagte Zarrab am zweiten Tage seiner Vernehmung am Donnerstag. Deshalb werde er von der US-Bundespolizei geschützt. Woher die Drohungen kamen, sagte er nicht.
Susanne Güsten