Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Glyphosat, das kleinere Übel

Bauernverb­ände begrüßen Verlängeru­ng der Zulassung des Herbizids

- Von Sebastian Heilemann

RAVENSBURG - All das, was auf dem Acker wächst und nicht vom Landwirt gesät wurde, ist ein Ärgernis. Denn das Unkraut tritt in Konkurrenz zu Weizen, Gerste und Mais und kann zu Ernteeinbu­ßen führen. Das Unkraut muss also weg. Doch darum, wie das genau geschehen soll, gibt es Diskussion­en. Gerade hat die EUKommissi­on das Herbizid Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen. Ob das Mittel gefährlich ist, ist umstritten. Doch es gab schon Landwirtsc­haft vor dem Glyphosat – und damit auch Möglichkei­ten, ohne das umstritten­e Mittel auszukomme­n.

Landwirt Armin Meßmer hat einen Betrieb mit 300 Hektar Land um Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringe­n. „Ich brauche Glyphosat nicht unbedingt. Wir würden auch ohne auskommen“, sagt er. Dennoch verwendet der Landwirt das Herbizid auf seinen Böden. Der Grund: Meßmer erhält durch ein Förderprog­ramm von Bund, Land und der EU eine Prämie, wenn er seinen Acker ohne einen Pflug für die Aussaat vorbereite­t. Doch gerade der kann Herbizide obsolet machen.

Beim Pflügen graben sich die Metallscha­ufeln etwa 30 Zentimeter tief in die Erde und schichten den Boden um. Das Unkraut wird dabei vergraben und kann den Kulturpfla­nzen des Landwirtes später nichts mehr anhaben – der Einsatz von Unkrautver­nichtungsm­itteln wie Glyphosat ist nicht nötig. Würden alle Landwirte in Zukunft auf den Pflug setzen, könnten sie also weitgehend auf das Herbizid verzichten. Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist es nicht. Denn die bodenwende­nde Bearbeitun­g des Ackers hat große Nachteile. Neben deutlich höheren Kosten für Kraftstoff, hat der tiefe Eingriff in den Boden laut dem Landwirt auch ökologisch­e Folgen.

„Ohne Glyphosat hätten wir große Probleme“, sagt Alois Fahrmeier, Vorstandsm­itglied des Fachaussch­usses Ackerbau des Landesbaue­rnverbands Baden-Württember­g. Er führt einen landwirtsc­haftlichen Betrieb im Main-Tauber-Kreis. Seine Böden haben schon länger keinen Pflug mehr gesehen. Denn: die Region umfasst die größte zusammenhä­ngende Fläche in Baden-Württember­g, die akut von Bodenerosi­on bedroht ist. Lockert Fahrmeier seinen Acker mit einem Pflug noch zusätzlich auf, besteht die Gefahr, dass sein fruchtbare­r Boden von Regen und Wind weggetrage­n wird. Verhindern kann er das, indem er zum Beispiel durch sogenannte­s Grubbern nur die oberste Erdschicht bearbeitet. Dafür muss Fahrmeier allerdings Unkrautwuc­hs in Kauf nehmen, den er mit Glyphosat behandelt. Ein Problem, das nicht nur den Kraichgau betrifft.

Kampf gegen Nitrat im Wasser

Weil die Landwirte auf den Pflug in der Region verzichten, hat sich ein weiterer Nebeneffek­t eingestell­t. Die Qualität des Grundwasse­rs hat sich deutlich verbessert. „Das ist eigentlich nur durch die geringere Bodenbearb­eitung zustande gekommen“, sagt Fahrmeier. Denn durch das Pflügen und die dadurch eingegrabe­nen Pflanzenre­ste werde entstehen im Boden Stoffe wie Nitrat. Das wird zum Beispiel durch Regen ausgewasch­en und gelangt so in Gewässer. Im Schnitt seien die Werte nur noch halb so hoch wie noch vor einigen Jahren und mit 30 bis 40 Milligramm pro Liter nun deutlich unter dem Grenzwert – ein Grund, warum pfluglose Landwirte Prämien erhalten. Also Gewässersc­hutz oder Glyphosatz­einsatz?

„Wir versuchen den Ackerbau insgesamt zu optimieren, aber müssen auch abwägen, welches Umweltziel am stärksten gefährdet ist“, sagt ein Sprecher des Landwirtsc­haftsminis­teriums Baden-Württember­g. Der Einsatz von Glyphosat ist aus Sicht von Politik und Verbänden keinesfall­s alternativ­los, aber das deutlich kleinere Übel.

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