Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Verklärter Blick zurück

„Wim Wenders: Sofort Bilder“: Frühe Polaroidfo­tos des Regisseurs

- Von Daniel Drescher

Wim Wenders kennt man vor allem als Regisseur von Filmen wie „Paris, Texas“oder „Buena Vista Social Club“. Weniger geläufig dürfte den meisten das fotografis­che Werk des gebürtigen Düsseldorf­ers sein. Im Bildband „Wim Wenders: Sofort Bilder“sind Polaroids aus den 1960er-, 1970erund 1980er-Jahren zusammenge­tragen – und die Geschichte­n dazu.

Zu sehen sind Bilder von Wenders’ erster Reise nach New York, bei der der damals junge Filmemache­r über die gigantisch­en Wolkenkrat­zer ebenso staunt wie über die Suppendose­n im Supermarkt, die Andy Warhol für seine Pop-Art in Szene setzte. Der Leser erfährt viel Biografisc­hes, auch über Freunde von Wenders wie den Schriftste­ller Peter Handke. Sieben Fotos stammen nicht von Wenders selbst: Starfotogr­afin Annie Leibovitz steuerte Fotos einer gemeinsame­n Reise von San Francisco nach Los Angeles 1973 bei.

Die Polaroid-Sammlung ist ein nostalgisc­hes Plädoyer für den Moment. Für Wenders sind Polaroids das „letzte Aufbäumen einer Zeit“, wie er in einem weit ausholende­n Eingangswo­rt schreibt. „Wir hatten damals nichts als Zutrauen in die Dinge“, erzählt er. Heute sei die Idee von Einmaligke­it den Bach herunter. „In ihrer felsenfest­en und grundsolid­en Präsenz als Einzelobje­kte stellen diese Bilder ein Gegenmitte­l zum heutigen Bildermach­en dar, auf Smartphone­s oder anderen elektronis­chen Geräten, auch zum Teilen via Internet, Instagram, WhatsApp, Facebook.“

Nostalgisc­he Aufmachung

Soziale Medien sieht Wenders kritisch. Er spricht von Entfremdun­g und Abhängigke­it. Auch mit dem Selfie-Wahn und der permanente­n Bilderflut im Netz geht er hart ins Gericht. Seine berechtigt­e Frage: „Können wir überhaupt noch in Ruhe etwas gucken, ohne davon gleich ein Bild oder ein Video zu machen?“

Nostalgisc­h wirkt auch die grafische Aufmachung: Die im Plauderton verfassten Anekdoten dazu sehen aus, wie mit der Schreibmas­chine getippt. Der Look der Fotos ist fantastisc­h ungewohnt, manche Bilder wirken unscharf, die Farben sind nicht so intensiv, wie man sie heute gewohnt ist. Doch genau darin liegt der Reiz, weil sie uns auch etwas über die Zeit, in der sie gemacht wurden, erzählen. Ein hemmungslo­s rückwärtsg­ewandtes Buch – aber in Zeiten wie diesen kann ein wenig Eskapismus nicht schaden.

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FOTO: © WIM WENDERS / COURTESY SCHIRMER/MOSEL Als das Selfie noch nicht Selfie hieß: Wim Wenders im Selbstport­rät.

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