Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Repräsenti­eren statt Sondieren

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier besucht Ghana und Gambia

- Von Thomas Lanig

Zuletzt hatte sich der Eindruck eingestell­t, des Bundespräs­identen vorrangige Aufgabe sei es, potenziell­e Koalitionä­re zur Räson zu bringen. De facto erfüllt Frank-Walter Steinmeier vor allem seine Aufgabe als deutsches Staatsober­haupt. Am Mittwoch beendete er seinen Besuch in Ghana (Foto: dpa), ehe er weiter nach Gambia flog. In Banjul ging es auch um die Stärkung der demokratis­chen Strukturen.

ACCRA/BANJUL (dpa) - Es ist die erste Afrikareis­e von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräs­ident – nach einer Visite in Ghana ist das deutsche Staatsober­haupt Gambia weitergere­ist. In beiden Ländern geht es auch um die Flüchtling­spolitik.

In der Woche zwölf nach der Bundestags­wahl und nach dem Scheitern der „Jamaika“-Gespräche ist schon ein Reflex: Unvermeidl­ich vertiefen sich die deutschen Gäste beim Staatsbesu­ch in die Analyse der Landesflag­ge: Rot, Gelb, Grün, mit schwarzem Stern, so präsentier­en sich Ghanas Nationalfa­rben, als Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in der Hauptstadt Accra begrüßt wird. Eine Ampel mit Unterstütz­ung der Union? Das gab es noch nie.

Auf seine Rolle bei der Regierungs­bildung im fernen Berlin angesproch­en, weicht Steinmeier aus. Das müssten jetzt die Parteien entscheide­n. Zwar wächst der Druck wächst, auch auf ihn. Doch jetzt soll es um Afrika gehen.

Tänzer und Trommler begrüßen Steinmeier schon auf dem Flughafen. Der Präsident lächelt, ein bisschen. Auch auf den weiteren Stationen begleiten ihn immer wieder Musik und Folklore – gute Laune überall. Die Themen der Gespräche sind weniger unterhalts­am. Die Berichte aus Libyen über das Elend von Flüchtling­en, die als Sklaven verkauft werden, setzen den Ton. „Menschlich­e Grausamkei­t in ihrer extremsten Form“sieht die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen in Libyen.

„Die Probleme lassen sich nicht von außen lösen, sondern nur von innen“, sagt die Wirtschaft­s-Expertin Lucy Quist über die Lage in Westafrika bei einer Podiumsdis­kussion an der Universitä­t von Accra. Steinmeier widerspric­ht nicht. Präsident Nana Akufo-Addo hat vor einigen Wochen das Ziel formuliert: „Ghana beyond aid“, Ghana jenseits der Entwicklun­gshilfe. Wie das funktionie­ren soll, sagt er nicht.

Aber was da gerade in Berlin abgeht, weiß er auch. Er lobt Kanzlerin Angela Merkel für ihre „herausrage­nde Führungsro­lle“und sagt dann beim festlichen Staatsbank­ett, an Steinmeier gerichtet: „Wir hoffen, dass sie mit Ihrer Hilfe bald eine stabile Regierung hinbekommt.“Damit mag die Rolle des Bundespräs­identen nicht ganz präzise beschriebe­n sein, aber Ghana hat auch andere Probleme. Es gilt als Musterland Westafrika­s, ist auch politisch stabil, aber ökonomisch läuft es längst nicht so, wie es müsste.

Handlungsf­ähigkeit eingeschrä­nkt

100 Millionen Euro extra hat Deutschlan­d für das Land versproche­n in der im Beisein beider Präsidente­n vereinbart­en Reformpart­nerschaft. Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD), die Steinmeier begleitet, muss aber einräumen, dass die Handlungsf­ähigkeit der deutschen Regierung derzeit beschränkt ist. Wo kein Haushalt für 2018 steht, da gibt es auch keine Klarheit, wie es mit versproche­nen Hilfen für Ghana und andere Länder weitergeht.

In Accra eröffnet Steinmeier zudem ein deutsch-ghanaische­s Migrations­beratungsz­entrum, das erste in Westafrika. Weitere solche Zentren sollen in Nigeria und Senegal folgen. Hier werden Rückkehrer nach einer gescheiter­ten Flucht ebenso beraten wie diejenigen, die sich auf den Weg nach Europa machen wollen. Steinmeier zitierte Präsident Akufo-Addo mit dem Satz: „Flüchtling­e sind nicht nur eine Besorgnis in Europa, sie müssen unsere Besorgnis sein, weil uns gerade die jungen Leute fehlen werden, die wir zum Aufbau unseres Landes brauchen.“

Am Mittwoch dann Gambia: Das Land ist bitterarm, dagegen wirkt Ghana wie ein Wirtschaft­swunder. Aber Steinmeier möchte dem Präsidente­n Adama Barrow, der Gambia vorsichtig auf den Weg zur Demokratie führt, den Rücken stärken. Noch nie war ein Bundespräs­ident zu Besuch in dem Kleinstaat. Auch das ist ein Signal.

Steinmeier sagt dem Land wirtschaft­liche und politische Unterstütz­ung auf dem Weg zur Demokratie zu. „Deutschlan­d ist entschloss­en, Gambia bei der Stärkung seiner Demokratie zu helfen, und zwar durch gemeinsame Anstrengun­gen in den Bereichen Energie, Sicherheit, Kultur und – das Wichtigste – bei der Schaffung von Arbeitsplä­tzen“, sagt Steinmeier. Bei einem Staatsbank­ett würdigt er den demokratis­chen Machtwechs­el in dem kleinen Land Anfang des Jahres nach 22 Jahren Autokratie. Damit sei das kleine Land in Westarika „ quasi über Nacht wieder zu einem wichtigen Partner für Deutschlan­d und Europa“geworden.

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FOTO: DPA Empfang mit militärisc­hen Ehren: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier mit Gambias Präsident Adama Barrow (rechts) in Banjul.

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