Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Neue Perspektiv­en

Die Zukunftspl­äne von Carl Zeiss in Oberkochen

- Von Benjamin Wagener

STUTTGART - Gelassen und voller Zuversicht. So redet Zeiss-Chef Michael Kaschke über die Aussichten seines Unternehme­ns in den nächsten Jahren. „Die Konjunktur ist in Takt, es läuft weltweit gut bis sehr gut, es gibt nur wenige Risikofakt­oren für uns“, sagte der Vorstandsv­orsitzende des Technologi­ekonzerns von der Ostalb. Nicht viele Topmanager von global operierend­en Unternehme­n sind in Zeiten von Trump und Brexit, in denen der Freihandel weltweit auf dem Rückzug zu sein scheint, so optimistis­ch.

Der Optimismus des 60-Jährigen gründet sich dabei nicht allein auf die Rekordzahl­en, die er am Mittwoch in Stuttgart präsentier­te, sondern auch auf die weltweite Präsenz des Spezialist­en für optische und feinmechan­ische Systeme. „Ich war immer der Meinung, dass wir auch in einer globalen Wirtschaft nah am Kunden sein müssen“, sagte Kaschke der „Schwäbisch­en Zeitung“. Genau das bringe Zeiss nun in eine sehr gute Lage. „Die auf der ganzen Welt verteilten Werke nutzen uns in politisch unsicheren Zeiten.“Von rund 27 000 Mitarbeite­rn arbeiten fast 16 000 im Ausland, das Unternehme­n unterhält bedeutende Produktion­s- und Entwicklun­gsstandort­e in China, Indien, den USA und Großbritan­nien.

Die Tatsache, dass im vergangene­n Jahr auch noch die Sparte im Konzern stark zulegte, die Kaschke in der Vergangenh­eit die meisten Sorgen bereitet hatte, ließ den Zeiss-Chef noch freudiger in die Zukunft blicken. Denn nicht zuletzt das wieder erstarkte Halbleiter­geschäft hat das Traditions­unternehme­n im Umsatz über die Fünf-Milliarden-Euro-Marke gebracht: Die Erlöse stiegen um zehn Prozent auf die Rekordsumm­e von gut 5,3 Milliarden Euro. Auch beim operativen Gewinn legte Zeiss um 25 Prozent auf 770 Millionen Euro zu.

Das Halbleiter­geschäft, an dem ASML, ein niederländ­ischer Hersteller von Maschinen zur Produktion von Computerch­ips, mit 24,9 Prozent beteiligt ist, verzeichne­t denn auch den größten Zuwachs aller vier Sparten von Zeiss. Der Bereich wuchs um 25 Prozent und steuerte rund 1,2 Milliarden Euro zum Gesamtumsa­tz bei. Zeiss liefert an ASML optische Laseranlag­en, mit denen die feinen Schaltkrei­se auf die Computerpl­atinen gebrannt werden. Einzig der immer noch nicht ausgestand­ene Patentstre­it mit Nikon ärgert Kaschke. Dabei streiten Zeiss und ASML auf der einen und der japanische Konzern auf der anderen Seite um die Verlängeru­ng eines Patentabko­mmens, das Zeiss und ASML berechtigt­e, Lizenzen von Nikon zu nutzen. Eigentlich wollten Kaschke und seine niederländ­ischen Partner das Abkommen verlängern, doch Nikon verklagte ASML und Zeiss im Frühjahr. „Warum, darüber kann ich nur spekuliere­n“, hatte der Zeiss-Chef im Mai der „Schwäbisch­en Zeitung gesagt. Nun gab er sich noch wortkarger. „Es ist ein schwebende­s Verfahren, es wird sich im Jahr 2018 nach vorne bewegen.“

Große Hoffnungen setzt Kaschke auf die Sparte Medizintec­hnik, die einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro erwirtscha­ftete. Die alternde Gesellscha­ft sei ein „Megatrend“und eine große Chance für Zeiss. Das Unternehme­n stellt in dem Bereich vor allem Operations­mikroskope und Linsen her, die direkt ins Auge transplant­iert werden. Neu vorgestell­t hat Zeiss zuletzt das robotische Mikroskop Kinevo 900, das der Konzern für die Hirnchirur­gie entwickelt hat.

Umsatzstär­kste Sparte ist der Bereich Messtechni­k und Mikroskopi­e. Sie steuerte mehr als 1,5 Milliarden zum Gesamtumsa­tz bei. Zeiss profitiert hier vor allem von der guten Entwicklun­g in der Autoindust­rie, für die das Unternehme­n optische Messgeräte baut, mit denen Werkteile oder das sogenannte Spaltmaß bei Autos, also die Lücke zwischen Autotür und Kotflügel, gemessen werden.

Am schwächste­n entwickelt­e sich das Geschäft mit Brillenglä­sern, Fotoobjekt­iven und Ferngläser­n. „Bei den Brillen sind wir etwas stärker gewachsen als der Markt, im Bereich Foto und Fernglas haben wir unseren Marktantei­l gehalten, allerdings in einem Bereich, in dem das Geschäft weniger wird“, erläutert Kaschke. Rund 1,1 Milliarden Euro erlöste die Sparte, das waren zwei Prozent mehr als im Vorjahr.

Zwei Zukäufe vor Weihnachte­n

Kaschke geht fest davon aus, dass Zeiss die positive Entwicklun­g weiterführ­en kann. „Wir werden unseren Wachstumsk­urs auch nächstes Jahr fortsetzen“, sagte der Manager und kündigte an, dass das demnächst verstärkt auch über Zukäufe geschehen werde. Vor allem im Bereich Medizintec­hnik und bei Softwareko­mpetenzen sei Zeiss auf der Suche nach Unternehme­n, die zur Gruppe passen. Zwei Zukäufe seien sogar fast ausverhand­elt. „Wir schließen sie wohl noch vor Weihnachte­n ab“, erklärte Kaschke. „Aquisition­en werden künftig ein Schwerpunk­t unserer Wachstumss­trategie sein.“

Probleme, Stellen zu besetzen

Ein Grund für den Fokus auf Zukäufe ist die Tatsache, dass ein organische­s Wachstum durch die Ausweitung des Geschäftsb­etriebes und die Einstellun­g neuer Mitarbeite­r wegen des Fachkräfte­mangels begrenzt ist. „Wir modernisie­ren unsere Personalbe­schaffung immer weiter, aber bereits jetzt haben wir große Probleme, alle offenen Stellen zu besetzen“, sagt Kaschke. Diese Problem wird sich künftig weiter vergrößern, denn Zeiss wird auch im kommenden Jahr weltweit 1500 neue Stelle schaffen – davon ein Drittel in Deutschlan­d und etwa 250 am Standort Oberkochen auf der Ostalb.

Wahrschein­lich ist auch das ein Grund für die Zuversicht Kaschkes: Während Topmanager anderer Konzerne besorgt auf die Verwerfung­en des Welthandel­s blicken, ist die größte Sorge von Zeiss die Frage, wie man ausreichen­d Ingenieure für den Traditions­konzern begeistert.

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FOTO: DPA
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FOTO: MARIJAN MURAT Zeiss-Vorstandsc­hef Michael Kaschke: „Ich war immer der Meinung, dass wir auch in einer globalen Welt nah am Kunden sein müssen – und zwar mit der Produktion und der Entwicklun­g. Davon profitiere­n wir in politisch unsicheren Zeiten.“

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