Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bahn entschuldigt sich für das jüngste Chaos
Großzügige Entschädigungen für Verspätung auf Strecke München-Berlin – Bis Weihnachten sollen Probleme behoben sein
BERLIN - Die Deutsche Bahn leistet für das Verkehrschaos der letzten Tage auf den Schienen Abbitte. „Ich möchte mich bei allen betroffenen Fahrgästen entschuldigen“, sagte die für den Fernverkehr verantwortliche Vorständin Birgit Bohle am Mittwoch. „Das ist nicht gut gelaufen.“Auf wichtigen Strecken kam es infolge des plötzlichen Wintereinbruchs am Sonntag sowie Problemen mit dem neuen Zugsteuerungssystem ETCS (European Train Control System) auf der Neubaustrecke zwischen München und Berlin zu Verspätungen und Zugausfällen. Der Weihnachtsverkehr werde wieder normal verlaufen, versicherte Bohle.
Herausgefunden haben die Experten nun auch, warum der Sonderzug mit Prominenten zur Eröffnung der Neubaustrecke mehrfach stehen blieb und erst mit zweistündiger Verspätung sein Ziel erreichte. „Es war ein menschlicher Fehler“, erläuterte Bohle. Im Werk sei ein für einen Radsatz falscher Raddurchmesser in den Zugcomputer eingegeben worden. Die Software konnte mit den widersprüchlichen Daten nichts anfangen und hielt den Zug ganz an.
„Wir haben es nicht mit einem systematischen Problem zu tun“, betont Bohle. In den ersten Tagen kam es mehrfach zu Störungen im ETCS. Zusammen mit Fachleuten des Herstellers Alstom will die Bahn die Anfangsschwierigkeiten bekämpfen. Von der automatischen Steuerung der Züge erhoffen sich Bahnunternehmen in ganz Europa eine Reihe von Vorteilen. So können die bisher mehr als 20 verschiedenen Leitsysteme der Länder durch ein einziges ersetzt werden, mehr Züge auf die Gleise gebracht, erhebliche Kosten und am Ende wohl sogar die Lokführer eingespart werden.
Die Kritik der Lokführergewerkschaft GDL, das Fahrpersonal habe keinen echten Probebetrieb fahren können, wies Bohle teilweise zurück. „Die Lokführer wurden intensiv geschult und fahren für die ersten Wochen auch in Doppelbesetzung auf den ICE-Zügen“, sagte sie. Zugleich räumte die Vorständin ein, dass den Lokführern wichtige Unterlagen erst wenige Tage vor der Premierenfahrt übergeben wurden. Die Zugführer tragen keine Schuld an den teils chaotischen Verhältnissen zum Fahrplanwechsel. „Unsere Mannschaft kämpft den ganzen Tag und um jeden Zug“, versichert Bohle.
Bis zum Wochenende soll sich die Lage im Schienennetz stabilisieren. Noch sind nicht alle Fahrzeuge wieder einsatzbereit. Durch Schnee und Eis wurden am Sonntag 16 Fahrzeuge so beschädigt, dass sie aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Zudem gab es an vielen Weichen Schäden. So fielen die Heizungen für die Weichen am Frankfurter Hauptbahnhof komplett aus.
Für die von Verspätungen auf der Neubautrasse betroffenen Kunden kündigte Bohle eine Kulanzregelung an. Bei einer Stunde oder mehr Verspätung erhalten die Fahrgäste den kompletten Fahrpreis erstattet, statt nur 25 Prozent. Darüber hinaus entschädigt die Bahn sie mit einem Gutschein über 50 Euro.
Sondersitzung zu Stuttgart 21
Die Verkehrsprobleme beschäftigten auch den Aufsichtsrat des Konzerns. Dabei wollten die Kontrolleure sich eigentlich nur mit einem anderen Problem der Bahn befassen. Die Kosten für den Bau des Stuttgarter Hauptbahnhofs erhöhen sich um eine Milliarde Euro. Ein entsprechendes Gutachten erörterte das Gremium. Ende Januar soll es eine Sondersitzung geben, bei der die Aufsichtsräte das weitere Vorgehen bei diesem Großprojekt entscheiden wollen. Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart lehnen eine Übernahme weiterer Kosten ab.