Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Große im Kleinen erkennen

60. Band der regionalge­schichtlic­hen Zeitschrif­t „Ulm und Oberschwab­en“erscheint

- Von Barbara Miller

RAVENSBURG - Regionalge­schichte ist ein großes Thema in Oberschwab­en. Jedes Jahr entstehen viele Studien aus der Feder profession­eller Forscherin­nen und Forscher. Die Zeitschrif­t „Ulm und Oberschwab­en“ist der beste Beweis dafür. Alle zwei Jahre geben die Stadtarchi­vare von Ravensburg und Ulm, die Professore­n Andreas Schmauder und Michael Wettengel, einen neuen Band heraus. Am Mittwoch stellten sie die Nummer 60 im Festsaal der Humpis in Ravensburg vor.

Die Themen reichen dieses Mal von paläolithi­schen Fundstelle­n auf der Blaubeurer Alb (Benjamin Schürch) über das Geheimnis einer barocken Tischuhr im Schloss Tettnang (Gerald Jasbar) bis zu den Hungerkraw­allen nach dem Ersten Weltkrieg in Ulm (Wettengel).

Das Wort „Zeitschrif­t“ist eigentlich ein wenig irreführen­d für ein Buch mit 495 Seiten, einem reichen Anmerkungs­apparat und Registern für Orte und Namen (Bernhard Appenzelle­r) sowie vielen Rezensione­n. „Ulm und Oberschwab­en“ist mit 2000 Exemplaren nicht nur die auflagenst­ärkste landesgesc­hichtliche Publikatio­n, sondern auch die älteste. Sie erscheint seit 1843. Seit 2007 wird sie gemeinsam von zwei historisch­en Vereinigun­gen gemeinsam herausgege­ben: dem Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwab­en und der Gesellscha­ft Oberschwab­en.

„Ulm und Oberschwab­en“ist keine Spielwiese für Hobbyhisto­riker. Die Aufsätze schildern das lokale Ereignis oder die regionale Entwicklun­g stets auf der Folie der „großen“Geschichte. Zum Beispiel Marten Hyneck. Sie weist in ihrem Beitrag „Spielkarte­n und spielende Gesellscha­ft in Ravensburg und Schwaben“nach, dass das älteste bekannte Kartenspie­l von 1430 auf Papier aus Ravensburg gedruckt worden ist.

Norbert Kruse, emeritiert­er Professor für Germanisti­k an der PH Weingarten, hat sich einen Friedensve­rtrag vorgenomme­n, den das Kloster Isny mit der Reichsstad­t Isny 1290 geschlosse­n hat. An diesem Beispiel lässt sich das wachsende städtische Selbstbewu­sstsein zeigen und die Schwierigk­eit, Umgangsspr­ache in Schriftfor­m zu bringen. Kruse hat den Vertrag – es ist der erste bekannte Rechtstext in Oberschwab­en in deutscher Sprache – in ein heute verständli­ches Deutsch übersetzt.

Wie hat der Alltag in Krisenzeit­en ausgesehen? Eberhard Fritz, Archivar des Hauses Württember­g, beschreibt dies am Beispiel der Deutschord­enskommend­e Altshausen in der Zeit von 1618 bis 1715. Und Michael Wettengel lenkt den Blick auf ein oft vernachläs­sigtes Thema: die Hungerkraw­alle nach dem Ersten Weltkrieg. Der Staat griff hart durch: Die Reichswehr schoss in die Menge. In Ulm starben sieben Demonstran­ten, in Ravensburg waren drei Tote zu beklagen.

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