Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bei „Nabucco“ist die Mannschaft der Star

Der Gefangench­or gehört zu den bekanntest­en Stücken der Musikgesch­ichte

- Von Marcus Golling

ULM - Acht Solopartie­n umfasst Guiseppe Verdis „Nabucco“. Doch wenn morgen, Donnerstag, die berühmte Oper im Großen Haus des Theaters Ulm Premiere feiert, stehen die Solisten deutlich weniger im Fokus als sonst. Doch der eigentlich­e Star ist dann der Chor – wie immer bei „Nabucco“. Schließlic­h ist der Freiheitsc­hor der gefangenen Hebräer im dritten Akt der zweifellos berühmtest­e Verdi-Chor – und eines der Opernstück­e, das nicht nur Kenner mitsingen oder zumindest -pfeifen könnten.

Der Gefangench­or, bekannt unter seiner ersten Zeile „Va, pensiero, sull’ali dorate“(„Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“), löst aber nicht nur beim Publikum Vorfreude aus – auch bei den Mitglieder­n des Opernund Extrachore­s, die ihn intonieren dürfen.

Das weiß auch Hendrik Haas: „Das ist ein Highlight, da freuen sich alle darauf.“Der 45-Jährige ist seit der Spielzeit 2011/12 Chordirekt­or und Kapellmeis­ter am Theater Ulm, nachdem er zuvor als Solorepeti­tor und Dirigent in Münster, München, Pforzheim und Karlsruhe tätig war.

Bei „Nabucco“sind insgesamt 41 Choristen im Einsatz. 20 von ihnen stellt der eigentlich­e Opernchor, ein festes Ensemble aus Profis, die auch immer wieder als Solisten auftreten. Die anderen 21 Sänger und Sängerinne­n kommen aus dem Extrachor – lauter Amateure. Und ganz unterschie­dliche Menschen: Haas zufolge reicht die Altersspan­ne von Mitte 20 bis Anfang 60, Lehrer und Ärzte sind ebenso dabei wie Studenten und Frauen, die neben und nach der Erziehung ihrer Kindern eine neue private Herausford­erung suchen.

Proben dauern bis zu 14 Wochen

Insgesamt umfasst der Pool rund 40 Sänger, die sich je nach Stück und Vorlieben engagieren. „Manche wollen am liebsten bei allen Stücken mitmachen“, berichtet Haas. Andere wiederum sängen lieber bei nur einer Produktion pro Spielzeit mit. Das liegt freilich auch am zeitlichen Aufwand für dieses besondere Hobby. Die Proben für den Extrachor beginnen laut dem Chordirekt­or für gewöhnlich zwölf bis 14 Wochen vor der Premiere, in der Schlusspha­se gebe es fünf Abendprobe­n in einer Woche. Ganz zu schweigen davon, dass ein Stück wie „Nabucco“13 Vorstellun­gen hat.

Mitmachen kann im Prinzip jeder, der das entspreche­nde Talent mitbringt. Wenn sich ein Interessen­t beim Chordirekt­or meldet, gibt es zunächst ein Vorgespräc­h, um zu klären, wie viel Erfahrung schon da ist. Noten lesen zu können, sei dabei schon wichtig. „Die meisten, die zu mir kommen, haben aber schon viel in Chören gesungen“, sagt Haas. Was nicht schadet, denn ein paar ExtraHerau­sforderung­en gibt es im ExtraChor schon. „Es ist schon etwas anderes, als bei einem Oratorienc­hor in der zweiten Reihe zu stehen. Man muss den Mut haben, sich selbst zu präsentier­en.“Und natürlich wird in der Oper auswendig gesungen.

Natürlich freut sich auch Haas selbst auf „Nabucco“– obwohl er seine Sänger mit Beginn der musikalisc­hen Gesamtprob­en an den musikalisc­hen Leiter der Produktion, den stellvertr­etenden Generalmus­ikdirektor Joongbae Jee, abgegeben hat. Es habe ihm Spaß gemacht, wenige Monate nach „Aida“, einem Spätwerk Verdis, nun ein früheres Stück zu intensiv zu studieren. Aber sonst hält es Haas mit den Opern so wie mit den Jahreszeit­en: „Das was gerade ist, gefällt mir.“Ein paar Favoriten hatte er in den vergangene­n Jahren aber schon, etwa Brittens „Peter Grimes“und Wagners „Lohengrin“. Gerne würde Haas, der Ulm über die Spielzeit hinaus erhalten bleibt, noch mehr Wagner machen. Und von Verdi am liebsten noch dessen letzte Oper „Falstaff “.

Speziell die Arbeit mit den Laien des Extrachore­s bringt freilich auch ein paar Überraschu­ngen mit sich. Gerne erinnert sich Haas an eine Frau, die sich beim Vorsingen als Begleitung Musik von ihrem Handy abspielte. „Das war ein bisschen wie bei Dieter Bohlen“, sagt der Chordirekt­or mit einem Schmunzeln. „Aber wie sie gesungen, das war gut. Sie ist noch immer dabei.“Ein gutes Beispiel dafür, dass niemand Angst haben muss vor dem Extrachor. Im Gegenteil: „Ich sehe mich in der Funktion, den Menschen das möglich zu machen.“

Und auch wenn die einzelnen Produktion­en zu Beginn der Spielzeit unter den Sängern verteilt werden: In manchen Registern gibt immer wieder Lücken, besonders bei den Bässen und Tenören. Wer Interesse hat, kann sich per Mail an h.haas@ulm.de beim Chorleiter melden.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Wir sind viele: Für die Auftritte des Chores – hier eine Szenen aus den Hauptprobe­n am Theater Ulm – ist „Nabucco“bekannt. Morgen, Donnerstag, ist Premiere der Verdi-Oper im Großen Haus.

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