Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Fleisch verendeter Schafe auf dem Teller

Vortrag in Laichingen über „Die Hungerkris­e 1816/17 und ihre Folgen“

- Von Susanne Kuhn-Urban

LAICHINGEN - Zu einem Vortrag über die „Die Hungerkris­e 1816/17 und ihre Folgen“von Eberhard Schwabache­r hatte der Geschichts­verein Laichingen vor Kurzem ins Laichinger Gasthaus Rössle eingeladen. Fast 60 Interessie­rte folgten der Einladung. Mit so vielen Gäste hatte der Vorsitzend­e des Geschichts­vereins Heinz Pfefferle gar nicht gerechnet: „Ich bin von der Nachfrage total überwältig­t. Im Verein waren wir eher skeptisch. Denn wer möchte schon so etwas Unangenehm­en wie Hungerjahr­e hören?“

Einige anscheinen­d. In seinem ausführlic­hen, etwa zwei Stunden dauernden Vortrag schlug der Feldstette­r Heimatkund­ler Eberhard Schwabache­r einen riesigen Bogen von den Napoleonis­chen Kriegen über den Ausbruch des Indonesisc­hen Vulkans Tambora und seine unmittelba­ren Auswirkung­en auf Mitteleuro­pa, die großen Auswanderu­ngswellen nach Amerika und Russland, über Fortschrit­te in der Württember­gischen Landwirtsc­haft bis hin zum Ausblick auf einen möglichen Vulkanausb­ruch – vielleicht das Yellowston­e-Vulkansyst­em – in der Zukunft. Dabei verlor er sich zeitweise etwas in Details der zahlreiche­n Aspekte, was die Geduld so manches Zuhörers ein wenig strapazier­te.

Durch den Ausbruch des Tambora gelangte vor 200 Jahren sehr viel Asche in die Atmosphäre, die sich über die ganze Erdkugel verteilte. Die Bevölkerun­g in vielen Ländern der Welt musste ohne Sommer auskommen und hatte mit riesigen Ernteverlu­sten durch schwere Unwetter und Wetterkapr­iolen zu kämpfen. Das wenige Getreide, das es noch gab, wurde durch die Teuerung für die meisten unerschwin­glich. In der Merklinger Hungerchro­nik, die der Schäfer Michael Eitle aufgeschri­eben hat, wird deutlich, wie schlecht es dem Menschen in dieser Zeit ging. Schanbache­r las einige Zeilen daraus vor. Abgekochte­s Heu diente als Nahrung, auch das Fleisch von verendeten Schafen und Pferden aßen die Menschen in ihrer Not.

Doch schon die Jahre zuvor mussten die Menschen in Württember­g vieles ertragen. Napoleons Armeen zogen übers Land und mussten von der Bevölkerun­g verpflegt werden, dem König Friedrich Wilhelm Karl von Württember­g war sein Jagdvergnü­gen wichtiger als seine notleidend­en Untertanen.

Viele deuteten die Wetterkata­strophe als Strafe Gottes und rechneten mit dem nahenden Weltunterg­ang. Der württember­gische Pietist Johann Albrecht Bengel hatte die Wiederkunf­t Christi auf das Jahr 1836 berechnet. Da die Menschen glaubten, dass dies in Jerusalem geschehen würde, machten sich viele Württember­ger auf den Weg dorthin. Sie reisten ab Ulm mit den Ulmer Schachteln die Donau stromabwär­ts, um möglichst nahe der Stadt Jerusalem zu sein. Viele überlebten die Fahrt nicht. 35 Feldstette­r haben sich am 2. Juli 1817 auf diese Reise begeben, nur die Familie des Totengräbe­rs Rapp konnte Eberhard Schanbache­r im Einwandere­rbuch von Odessa entdecken.

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FOTO: SUSANNE KUHN-URBAN Rund 60 Zuhörer kamen zum Vortrag des Laichinger Geschichts­vereins.

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