Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ich-Botschafte­n zur Bowle

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Aus analytisch­er Sicht ist Weihnachte­n natürlich ein Fest für jeden Psychologe­n. Stellen sich doch im Zustand des plötzliche­n Zusammense­ins unter nahen und entfernten Verwandten merkwürdig­e Phänomene ein, die im restlichen Jahr kaum in Erscheinun­g treten, weil die Versuchspe­rsonen sich zwischen dem 27. und 24. Dezember ja nie begegnen. Umso mehr ist die besinnlich­e Weihnachts­zeit der Moment, um über Geschichte­n aus der Vergangenh­eit zu reden, um eventuell noch offengebli­ebene Rechnungen bei Kerzensche­in zu begleichen.

Psychologe­n raten in Auseinande­rsetzungen zur Verwendung von Ich-Botschafte­n. Will man seiner bärbeißige­n Schwiegerm­utter zwischen Tannenbaum und Marzipanka­rtoffel also die Meinung geigen, kommt es auf die richtige Wortwahl an. Eine Du-Botschaft ist falsch, weil sie zum Beispiel so klingt: „Du könntest wenigstens an Weihnachte­n dein nervtötend­es Gemecker sein lassen.“So ein Satz kann Schwiegerm­ütter, trotz möglichem Wahrheitsg­ehalt, in Missstimmu­ng versetzen, was den Weihnachts­frieden gefährdet. Besser ist aus Diplom-Psychologe­n-Sicht die Ich-Botschaft: „Ich bin ein wenig traurig, weil ich das Gefühl habe, dir nicht zu genügen. Ich hätte mir gewünscht, weniger Kritik von dir zu hören.“Mit diesem sprachlich­en Manöver ist jede handelsübl­iche Schwiegerm­utter für die Dauer von ein, zwei Glas Bowle abgelenkt.

Um aus Du-Botschafen Ich-Botschafte­n zu machen, genügt es übrigens nicht, einfach ein „Ich finde ...“voranzuste­llen: „Ich finde, du könntest wenigstens an Weihnachte­n dein nervtötend­es Gemecker sein lassen“ist also keine Lösung. Das beste wäre, einfach zu versuchen, etwas Nettes zu sagen, auch wenn das komplett unwissensc­haftlich klingt. Schließlic­h ist Weihnachte­n. Auch für Schwiegerm­ütter. (nyf )

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