Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

An den Märkten kurzfristi­g etwas Unruhe

Wirtschaft­sexperten: Katalonien gerät mehr und mehr aus dem Blickfeld der Investoren

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FRANKFURT (dpa) - Anleger an den Finanzmärk­ten reagierten am Freitag verunsiche­rt auf den Ausgang der Wahl in Katalonien. Stimmen von Ökonomen und Wirtschaft­svertreter­n:

Friedrich Heinemann, Experte beim Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW): „Nach diesem Wahlergebn­is muss der spanische Zentralsta­at endlich den Wunsch nach größerer fiskalisch­er Eigenständ­igkeit Katalonien­s ernst nehmen. Wichtig ist, dass eine Politik der Versöhnung durch eine höhere Steuerauto­nomie eingeleite­t und die finanziell­en Nettolaste­n Katalonien­s begrenzt werden. Wenn es nicht endlich zu wirklichen Verhandlun­gen über mehr Autonomie Katalonien­s kommt, wachsen die ökonomisch­en Risiken für Spanien. Und das wäre auch ein Risikoszen­ario für die Eurozone insgesamt.“Michael Rottmann, Experte bei der Bank Unicredit: „Es dürfte schwierig werden, eine separatist­ische Regierung zu formen. Jede der drei Anti-Madrid-Parteien hat eigene Vorstellun­gen darüber, welche Haltung mit Blick auf eine Abspaltung man gegenüber der Zentralreg­ierung einnehmen sollte. Außerdem gehen einige Sitze an Politiker, die entweder im Exil oder im Gefängnis sind. Wir halten es für wahrschein­lich, dass Madrid weiterhin die Kontrolle über die Region entspreche­nd Artikel 155 der Verfassung behalten wird, während es parallel Verhandlun­gen über eine Verfassung­sreform hin zu einem föderalen System geben wird.“

Martin Wansleben, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags (DIHK): „Für die deutschen Unternehme­n ist es wichtig, dass nach der Wahl der politische Dialog wieder in rechtlich geordneten Bahnen erfolgt. Die Ungewisshe­it über den zukünftige­n Status der Region betrifft vor allem die 800 deutschen Unternehme­n, die in Katalonien tätig sind, insbesonde­re in den Bereichen Chemie, Pharma und Automobil. Fast die Hälfte der kürzlich von der Außenhande­lskammer Spanien befragten deutschen Unternehme­n vor Ort hat bestätigt, dass ihre Investitio­nspläne durch die aktuellen Entwicklun­gen beeinfluss­t worden sind.“

Ralph Solveen, Experte bei der Commerzban­k: „An den Märkten dürfte das Wahlergebn­is allenfalls kurzfristi­g für etwas Unruhe sorgen. Denn am Ende wird entscheide­nd sein, dass das Thema Unabhängig­keit Katalonien­s erst einmal nicht mehr akut ist. Damit dürfte Katalonien mehr und mehr aus dem Blickfeld der Investoren geraten.“Carsten Hesse, Europa-Ökonom der Berenberg-Bank: „Beide Seiten müssen ihre Strategien überdenken. Eine einseitige Unabhängig­keitserklä­rung wird nicht funktionie­ren und hätte wahrschein­lich verheerend­e Konsequenz­en für Katalonien­s Wirtschaft. Die einzige echte Option sind Verhandlun­gen mit Madrid. Wir denken, Katalonien könnte langfristi­g mehr Autonomie bekommen.“

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