Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Frostige Beziehung mit Scherzen überspielt
Britischer Außenminister Boris Johnson bemüht sich in Moskau um Ende der Eiszeit
MOSKAU (AFP) - Beim ersten Besuch eines britischen Außenministers in Moskau seit fünf Jahren hat sich Boris Johnson um ein Ende der Eiszeit in den Beziehungen mit Russland bemüht. Trotz aller „Schwierigkeiten“müsse ein Weg gefunden werden, um „voranzugehen“, sagte Johnson. Allerdings kam es im Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zum Streit um die von London Russland zugeschriebene Einmischung in das Brexit-Referendum.
Lawrow sagte, er begrüße Johnsons Äußerung vom November, wonach er keine Beweise für eine russische Einmischung sehe. Darauf fiel ihm Johnson ins Wort, um zu sagen, dass er keine Beweise für eine „erfolgreiche Einmischung“habe. Außerdem gebe es zahlreiche Beweise für eine russische Einmischung bei Wahlen in Deutschland, Dänemark, Frankreich und in den USA.
Lawrow warf Johnson daraufhin vor, dass er ihm widerspreche, um in London nicht kritisiert zu werden. Der Westen habe die Einmischung Moskaus erfunden, „konkrete Beweise“dafür müsse er erst noch vorlegen. Lawrow erklärte Moskaus Bereitschaft zu einem Dialog auf Augenhöhe über viele Themen. Dabei müssten die Interessen des anderen berücksichtigt und respektiert werden, forderte der russische Chefdiplomat.
Johnson versuchte, die frostige Beziehung Großbritanniens zu Russland mit Scherzen zu überspielen: Er bezeichnete sich selbst als „russenfreundlich“, dafür spreche doch schon sein Vorname. Zu Beginn seines Treffens mit Lawrow sagte der als eher undiplomatisch geltende Brite, beide Länder sollten zugunsten der weltweiten Sicherheit zusammenarbeiten. Die Gemeinsamkeiten seien wichtiger als die Unterschiede. Als Felder einer möglichen Kooperation nannte Johnson Iran, Nordkorea und Syrien.
Untersuchung zu Cyberattacken
Lawrow erklärte, das Gespräch solle zu „konkreten Schritten“führen, um die beiderseitigen Beziehungen zu verbessern. Es sei „kein Geheimnis“, dass die Beziehungen „an einem Tiefpunkt“seien. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern hatte sich 2006 abgekühlt, als der ehemalige Geheimagent und spätere Kreml-Kritiker Alexander Litvinenko in London vergiftet wurde. Außerdem war die britische Regierung im Zuge der Ukraine-Krise 2014 eine Verfechterin westlicher Strafmaßnahmen gegen Russland. London wirft Russland vor, die prorussischen Rebellen in der Ukraine militärisch zu unterstützen.
Derzeit untersucht eine britische Parlamentskommission Vorwürfe über russische Cyberattacken während des Volksentscheids über den Brexit im Juli 2016 und während der Parlamentswahl im Juni 2017.