Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kleines Präsidente­nopfer

Witali Mutko, laut IOC administra­tiv verantwort­lich für Russlands Doping, tritt wohl als Chef des Fußballver­bandes zurück

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MOSKAU (dpa/SID) - Seit Monaten stemmt sich Witali Mutko, Russlands „Mister Fußball-WM“, gegen den Sog des Dopingskan­dals. Doch immer erdrückend­er werden die Vorwürfe, und immer häufiger wird der Name Mutko mit systematis­chem Doping in Russland in Verbindung gebracht. Ein halbes Jahr vor der Weltmeiste­rschaft in Russland könnte der mächtige Sportfunkt­ionär seinen Posten als Chef des Fußballver­bandes RFS aufgeben, schrieb die Zeitung „Kommersant“am Freitag. Sie berief sich auf informiert­e Kreise. Demnach dürfte Mutko seinen Rücktritt bei einer Verbandssi­tzung ankündigen, die am Montag stattfinde­n soll.

Eine Stellungna­hme lag zunächst nicht vor. Aber die Spekulatio­nen zeigen: Hinter den Kulissen brodelt es. Die Folgen des Dopingskan­dals haben – in der Person Mutkos – längst höchste Ebenen der russischen Führung erreicht.

Der Tiefschlag für Mutko kam Anfang Dezember. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) machte ihn für Manipulati­onen bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi mitverantw­ortlich und sperrte ihn lebenslang für Olympische Spiele. Mutko war 2014 Sportminis­ter. Der FußballWel­tverband FIFA, der Mutko lange den Rücken gestärkt hatte, habe nach dem IOC-Entscheid seine Position geändert und mit Nachdruck empfohlen, dass Mutko seinen Posten räume, schrieb „Kommersant“.

Dies könnte auch damit zu tun haben, dass der russische Fußball ins Fadenkreuz der Dopingermi­ttler geraten ist. Denn nicht nur Winterspor­tler sind vor den Olympische­n Winterspie­len im Februar in Südkorea Thema der Debatte. Auch gegen den russischen Fußball halten sich seit Monaten hartnäckig Dopingvorw­ürfe. Konkret steht Berichten zufolge das WM-Team von 2014 im Verdacht.

Alles Quatsch, heißt es in Moskau. „In der Sbornaja gab es nie Manipulati­on und wird es nie Manipulati­on geben“, sagte Mutko bei der Auslosung der WM-Gruppen Anfang Dezember. Doch schon damals – die IOC-Entscheidu­ng war noch gar nicht publik – konnte er nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Nerven blank liegen. Mit einer Wutrede machte er seinerzeit seinem Ärger über Fragen zum Doping Luft, redete sich in Rage, verteufelt­e alle Vorwürfe als Werk des Westens (FIFA-Präsident Gianni Infantino saß stumm daneben) und lehnte Spekulatio­nen über einen Rücktritt ab.

Wenn es nun doch so käme, sei dies möglicherw­eise eher als Manöver zu sehen denn als klares Rückzugssi­gnal, sagen Beobachter. Denn mit dem RFS-Vorsitz gäbe Mutko den wohl unwichtigs­ten seiner vielen Posten auf. Der Multifunkt­ionär ist auch Vizeregier­ungschef und Präsident des Organisati­onskomitee­s für die WM. Und es war bislang keine Rede davon, dass Mutko auch um diese Ämter bangen muss.

Nur taktisches Kalkül?

Umso mehr erinnert das erwartete Manöver an einen taktischen Zug, der den engen Vertrauten von Präsident Wladimir Putin schon einmal aus der Schusslini­e gebracht hat. Als 2016 die Dopingvorw­ürfe gegen Russlands Leichtathl­eten hochkochte­n, wurde der langjährig­e Sportminis­ter Mutko zum Vizeregier­ungschef erhoben. „Formell wurde er natürlich befördert, aber die Funktion des Vizeregier­ungschefs für Sport ist ziemlich künstlich“, schrieb das Internetpo­rtal sports.ru. Die Beförderun­g sei eine „ehrenvolle Entlassung“gewesen.

Dass Mutko nicht tiefer gefallen ist, führen Experten auf dessen Verwurzelu­ng im politische­n Establishm­ent zurück. Seine Karriere startete der Politiker aus der südrussisc­hen Region Krasnodar in St. Petersburg – im Umfeld Wladimir Putins. Als Sportminis­ter diente Mutko von 2008 bis 2016. Auch im Fußball kann er eine lange Vita vorweisen. Schon von 2005 bis 2009 war Mutko Verbandsch­ef, 2015 kehrte er an die RFSSpitze zurück. Es war die Zeit, als der Verband, inmitten der WM-Vorbereitu­ngen, am Rand des Bankrotts stand.

Auch für die Zukunft dürfte der Netzwerker Mutko vorgesorgt haben: Auf Schlüsselp­ositionen sitzen loyale Gefolgsleu­te. Sportminis­ter Pawel Kolobkow, früher ein Weltklasse­fechter, gehört Experten zufolge dazu; Alexej Sorokin, Generaldir­ektor des WM-Organisati­onskomitee­s, gilt als „Mutkos Schöpfung“. Ausgerechn­et Sorokin wurde schon als Mutkos möglicher Erbe im RFS gehandelt, auch wenn die Verbandssp­itze dies zunächst dementiert­e. Sorokin gilt als effektiver Spezialist – zudem als eine absolut neutrale Figur, die nichts mit dem Dopingskan­dal zu tun habe, schrieb „Kommersant“.

Bestätigun­gen für all das freilich gab es zunächst nicht. Aber ein Fußballfun­ktionär sagte, im RFS sei Mutkos Rücktritt „schon seit einiger Zeit kein Geheimnis“.

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FOTO: DPA Die Luft wird dünner für Witali Mutko.

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