Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Frauen finden Zugang zur neuen Heimat
Caritas bietet Müttertreffs an - Frühkindliche Bildung und sozialmedizinische Hilfen
ULM - Kinder spielen, Kinder erzählen, Kinder hören zu im Caritas-Müttertreff im Jugendhaus Inseltreff Weststadt. Und dazwischen: Mütter, die nur an diesem einen Nachmittag in der Woche ihre oft trostlosen Unterkünfte verlassen, Hilfe finden, sich Ansprechpartnerinnen anvertrauen können.
Berlin Alman Hindisch ist eine von ihnen: Die 18-Jährige aus der Volksgruppe der Jesiden musste nach dem Überfall der Terrormiliz IS im Jahr 2014 aus dem Nordirak fliehen, jetzt lebt sie mit ihrem Mann und der gemeinsamen, einjährigen Tochter Dilara in Ulm: „Ich würde gerne eine Ausbildung zur Friseurin machen“, berichtet die junge Frau. „Doch für Mütter mit Kindern gibt es entweder keine Sprachkurse – oder sie sind voll.“Sie habe in der Heimat schon erste Schritte unternommen, um Friseurin zu werden: „Aber dann kam der IS.“
Seit 2016 bietet die Caritas UlmAlb-Donau in Flüchtlingsunterkünften und Anschlussunterbringungen in verschiedenen Stadtteilen in Ulm Müttertreffs für geflüchtete Frauen an: „Geflüchtete Frauen in der Familienphase sollen an diesen Orten einen ersten Zugang finden zu der neuen Heimat, zu ihrem Stadtteil und zu Unterstützungsangeboten im Bereich frühkindliche Bildung und zu sozialmedizinischen Hilfen“, sagt Sabine Kuhn, die für den Bereich „Frühe Hilfen“verantwortlich ist.
Kuhn spricht von einem „niederschwelligen Angebot“, das die Caritas schafft, „um einen sanften Einstieg zu ermöglichen.“
Frauen bleiben daheim bei Kindern
Fast alle der meist sehr jungen Frauen haben Fluchterfahrungen hinter sich. Jetzt leben sie in Flüchtlingsunterkünften, in Anschlussunterbringungen, in beengten Verhältnissen. Nur im Müttertreff können sich die Frauen austauschen. Sabine Kuhn weiß: „Häufig verlassen nur die Männer überhaupt die Unterkünfte, die Frauen sind in ihrem Bewegungsradius sehr eingeengt.“Der Müttertreff sei oft die einzige Abwechslung im Wochenrhythmus.
Neben dem Austausch stehen praktische Fragen im Vordergrund: „Viele Frauen wollen kein drittes, viertes oder gar fünftes Kind“, weiß Sabine Kuhn, „aber sie wissen auch nichts über Verhütung“. Hier sei das Gespräch von „Frau zu Frau“wichtig.
Gleichzeitig werde für die Frauen das Thema Bildung immer relevanter. Berlin Alman Hindisch, die junge Jesidin, berichtet, dass der IS Frauen Bildung gezielt verwehre. Sie habe viel aufzuholen.
Die Perspektiven für Bildung, Ausbildung und auch Berufstätigkeit sind mittelfristig gegeben: Denn die in Baden-Württemberg aus dem Nordirak aufgenommenen traumatisierten Jesidinnen bleiben in Sicherheit und erhalten weiter Unterstützung des Bundeslandes. Für die rund 1000 Frauen und Kinder, die in Gefangenschaft der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) waren, würden Aufenthalt und Therapie zwei weitere Jahre finanziert, teilt das Staatsministerium mit.
Die Kosten für Aufnahme und Gesundheit blieben demnach weit unter den ursprünglichen Ansätzen. Von den veranschlagten 95 Millionen Euro, wurde laut Staatsministerium bislang nicht einmal die Hälfte ausgegeben.
Die vorwiegend jesidischen ISOpfer kamen auf Initiative von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zwischen 2015 und Anfang 2016 nach Baden-Württemberg. Heute leben die Angehörigen einer religiösen Minderheit in 23 Gemeinden in dem Land. Sie haben im Zuge einer humanitären Aufnahme einen Aufenthaltsstatus wie anerkannte Flüchtlinge, ohne die notwendigen Verfahren durchlaufen zu haben.
Spenden helfen bei der Integration
Zurück in den Inseltreff in der Ulmer Weststadt. Hier hat Ulrike RehmHirschauer Kinderlieder angestimmt, der Nachmittag geht langsam aber sicher zu Ende: „Wir würden gern mehr anbieten, aber uns fehlen die Mittel“, berichtet sie: „Für die Dolmetscherkosten und die Finanzierung der Fahrtkosten für Klienten sind wir auf Spenden angewiesen.“Aus Mitteln der Weihnachts-Spendenaktion der „Schwäbischen Zeitung“, so wünschen es sich Sabine Kuhn und Ulrike RehmHirschauer, könnten auch kleine Ausflüge finanziert werden, damit die Flüchtlinge mehr von ihrer neuen Heimat kennen lernen: Integration braucht Zeit und Geld“, sagt Sabine Kuhn. „Der gute Wille ist schon da.“