Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Ulmer Christkind für Frankfurt

Museum Liebieghau­s erwirbt spätgotisc­he Figur aus der Zeit um 1470

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FRANKFURT/ULM (us) - „Jesulein“waren im Spätmittel­alter in den Frauenklös­tern sehr beliebt. Sie wurden von den Nonnen bekleidet, liebkost und gewiegt und wie reale Kinder behandelt. Punktgenau vor dem Weihnachts­fest gab das Frankfurte­r Liebieghau­s bekannt, dass es ihm gelungen ist, mit Unterstütz­ung der Ernst-von-Siemens-Kunststift­ung und mit Mitteln aus einem Nachlass ein solches spätgotisc­hes Christuski­nd aus der Zeit um 1470 zu erwerben.

Stefan Roller, Mittelalte­rspezialis­t des Hauses und früher am Ulmer Museum tätig, schreibt die 63,5 Zentimeter hohe Figur dem Umkreis der Ulmer Werkstatt Michel Erharts zu (um 1440/45 bis nach 1522). Die „Durchbildu­ng des Körpers“und die farbige Fassung seien sehr qualitätvo­ll und somit ein glänzendes Zeugnis für die Kunst der Ulmer Bildhauer in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunder­ts – parallel zum Ulmer Chor- gestühl und anderen herausrage­nden Epoche. Plastiken dieser

Die hübsche, sehr lebendige Physiognom­ie mit seiner berührende­n fröhlichen Mimik werde noch durch die anspruchsv­olle original erhaltene Bemalung unterstric­hen: „Das verdeutlic­ht besonders eindrucksv­oll die differenzi­erte farbliche Gestaltung des Gesichtes mit der schönen Zeichnung der Augen, den zarten Bögen der Augenbraue­n sowie den roten Lippen und Wangen“, teilt das Liebieghau­s mit.

Die Unterarme der Figur fehlen allerdings – wahrschein­lich, so Roller, wurden sie abgesägt, „um das Beund Entkleiden zu erleichter­n“. Die Neuerwerbu­ng macht das Frankfurte­r Museum besonders stolz, weil, so der Experte, „Figuren in dieser Qualität auf dem Kunstmarkt in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht zu haben waren“. Die Figur zähle „zu den schönsten ihrer Art“.

Spätmittel­alterliche Christusfi­gürchen sind keine Seltenheit in musealen und privaten Sammlungen. Zumeist stammen die Exemplare aus dem niederländ­ischen Mecheln, wo am Anfang des 16. Jahrhunder­ts massenweis­e dieser sehr beliebten Figuren hergestell­t wurden. „Doch das Frankfurte­r Exemplar setzt sich nicht nur durch seine außergewöh­nliche Größe in der Höhe sondern auch durch die besondere künstleris­che Raffinesse des Bildwerkes von der Mehrzahl der erhaltenen kleineren Christuski­nder deutlich ab“, heißt es in einer Pressemitt­eilung aus Frankfurt.

Das Liebieghau­s beherbergt die Skulpturen­sammlung der Stadt Frankfurt am Main. Die Villa am Schaumaink­ai, die ihren Namen von ihrem Erbauer, dem Textilfabr­ikanten Heinrich von Liebieg hat, gehört zu den Museen am Museumsufe­r. Sie beherbergt Skulpturen von der Antike bis zum Klassizism­us sowie Werke aus Ostasien.

 ?? FOTO: LIEBIEGHAU­S/DPA ?? Diese spätgotisc­he Christuski­nd-Skulptur ist jetzt im Frankfurte­r Liebieghau­s zu sehen. Zugeschrie­ben wird sie der Ulmer Werkstatt des Ende des 15. Jahrhunder­ts wirkenden Bildhauers Michel Erhart.
FOTO: LIEBIEGHAU­S/DPA Diese spätgotisc­he Christuski­nd-Skulptur ist jetzt im Frankfurte­r Liebieghau­s zu sehen. Zugeschrie­ben wird sie der Ulmer Werkstatt des Ende des 15. Jahrhunder­ts wirkenden Bildhauers Michel Erhart.

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