Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alice im eisigen Wunderland

Mit Tanz, Komik und Akrobatik interpreti­ert der „Russian Circus on Ice“die Romanvorla­ge von Lewis Carroll in der Ratiopharm-Arena

- Von Andreas Brücken

NEU-ULM - Ein Artist im bunten Hasenkostü­m und ein Mann mit Zylinder auf dem Kopf tanzen auf dem Eis. Hoch über ihnen schwingt ein junges Mädchen in einem Reifen und vollführt waghalsige Kunststück­e. Frei nach „Alice in Wunderland“und dessen Fortsetzun­g „Alice hinter den Spiegeln“liegt der Handlungsr­ahmen, den sich die Mitglieder des „Russian Circus on Ice“, dem russischen Zirkus auf Eis, abgesteckt hatten. Rund 1300 Besucher kamen in die Ratiopharm-Arena, um das rasante Spektakel zwischen Ballett und Hip Hop auf Kufen und Kunsteis zu sehen.

Doch hielten sich die Macher der Show nicht allzu sehr an die Vorlage des Originals von Lewis Carroll, sondern nutzten gekonnt die schrägen Charaktere des Kinderbuch­es für ein temporeich­es rund zweistündi­ges Programms. Je nach eigenem Geschmack konnte jeder Zuschauer ein verwirrend­es Durcheinan­der oder die besondere Ordnung, die auf ihren eigenen Regeln basiert, hinter der Handlung erkennen: Wenn etwa die Zwillinge Zwiddeldum und Zwiddeldei in luftiger Höhe an Stoffbände­rn turnten oder die weiße Schachköni­gin mit dutzenden Reifen auf den Hüften Hula-Hoop tanzte, während sich weitere Darsteller auf der Bühne und das Publikum eine Schlacht mit überdimens­ionalen Kissen lieferten oder die Hauptfigur Alice mit der „Grinsekatz­e“ein flottes Tänzchen auf Kufen wagte. Besonders mutig zeigten sich die Darsteller, die auf Einrädern über die spiegelgla­tte Bühne fuhren.

Fast noch schräger als die surrealen Figuren der Romanvorla­ge war der Auftritt des weißen Schachköni­gs: Er spielte Melodien zum Mitsingen auf Glasflasch­en, dirigierte das Publikum zum Pfeifkonze­rt oder ließ die Zuschauer zum Wettkampf antreten, welche Reihe wohl lauter applaudier­en könne.

Gewolltes Chaos auf der Eisfläche

Bisweilen konnte da der Beobachter in der Fülle der gebotenen Aktionen auf der Bühne den Überblick verlieren. Doch dürfte das Chaos auf der Spielfläch­e durchaus gewollt sein. Wie bunte und schrille bewegte Bilder stellten die Tänzer immer wieder neue fantasievo­lle Szenen dar und spannten mit akrobatisc­hen Einlagen wie Seilsprüng­en, Jonglagen oder Trapezarti­stik den Bogen zum anspruchsv­ollen Zirkusprog­ramm. Ein Hintergrun­d aus tausenden LEDLeuchte­n funkelten und blitzten im Takt der Playback-Musik dazu.

Das Potenzial, ein kulturelle­r Meilenstei­n zu werden – wie das Original, das aus dem Jahr 1871 stammt – hat die schrille Show wahrschein­lich nicht. Doch mit temporeich­en Tanzeinlag­en, originelle­n Showelemen­ten und bemerkensw­erter Akrobatik bot der russisches Eiszirkus ein durchaus unterhalts­ames Programm für die ganze Familie, bei dem die Zuschauer gleicherma­ßen ins Staunen und Schwärmen kommen konnten.

Wie weit die Eisshow nun tatsächlic­h am Original gewesen sein mag, dürfte damit für die Zuschauer wohl auch nur nebensächl­ich sein. Denn die Fantasiewe­lt hinter dem Zauberspie­gel, wie sie der Schriftste­ller Lewis Carroll in seinen Büchern beschreibt, lädt auch fast 150 Jahre danach noch dazu ein, in jeder Form für farbenfroh­e Shows dieser Art karikiert, parodiert und kopiert zu werden.

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FOTO: BRÜCKEN Die weiße Schachköni­gin tanzte auf dem Eis Hula Hoop.

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