Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Abschiebun­g droht

Drama um Pakistani, der schon einen Job hatte.

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGEN - Die Laichinger Firma Mayer will nicht auf ihn verzichten, nach Gesetzesla­ge hat Babar Karamat, genannt Ali, aber kein Recht, noch länger in Deutschlan­d zu bleiben. Dem 23-jährigen Pakistani droht die Abschiebun­g. Ein Laichinger Fall über Sinn und Unsinn in der deutschen Einwanderu­ngspolitik.

Er war 15 Jahre jung, als er nach Deutschlan­d kam. Ein fremdes Land, mit fremder Kultur und schwer verständli­cher Sprache – aber er wollte sich durchbeiße­n, sich in Deutschlan­d eine Existenz, eine Zukunft aufbauen. Denn: In seiner Heimat war dies aus vielen Gründen nicht möglich. Wer will das nicht: das Beste aus seinem Leben machen?

Das ist nun einige Jahrzehnte her. Heute ist Vladimir Mayer Chef von 150 Mitarbeite­rn in Laichingen. Die Firma, 1973 gegründet, trägt seinen Namen: Mayer Kunststoff­technik und Formenbau. Und es läuft gut, die Auftragsla­ge sei „sehr gut“, sagt Mayer. In gewisser Weise zu gut. Denn personell fällt es seiner Firma schwer, mit den eingehende­n Aufträgen Schritt zu halten. Mayer sucht, wie viele andere Firmen, händeringe­nd nach Arbeitern. Und die Lücke ist jetzt noch größer geworden. Denn seit Anfang Januar ist es Babar Hussain Ali Karamat (23) verboten, bei Mayer in der Produktion mitzuarbei­ten.

Der junge Mann mit den vier Namen, der von Vladimir Mayer nur Ali gerufen wird, weil das so schön kurz und prägnant ist, was gut zur schwäbisch­en Mentalität passe, findet Mayer, kommt aus Pakistan. Sein Weg nach Laichingen war deutlich länger als der seines ehemaligen Chefs. Vladimir Mayer kam aus dem damaligen Jugoslawie­n nach Deutschlan­d. Ihre Motivation aber war die gleiche: das Beste aus dem eigenen Leben machen.

Auch Ali war 15, als er nach Deutschlan­d kam. Und genauso wie einst Vladimir Mayer scheut er das Arbeiten nicht, im Gegenteil. „Er ist pünktlich, zuverlässi­g, flexibel“, sagt Vladimir Mayer. Ali wurde bei Mayer mehrere Monate lang in der Produktion von Allwetter-Fußmatten eingesetzt. „Eine diffizile Arbeit“, so Vladimir Mayer. Bis Post vom Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtling­e) kam. Inhalt: Ali hat keinen Anspruch auf Asyl. Sein Antrag wurde abgelehnt. Mayer darf ihn nicht mehr beschäftig­en.

Mit traurigem Gesichtsau­sdruck sitzt der 23-Jährige an diesem Mittwoch an einem Tisch in einem Konferenzr­aum der Laichinger Firma. Sein Ex-Chef hat zur Pressekonf­erenz geladen, mit dabei unter anderem Kurt Wörner, Leiter des Laichinger Helferkrei­ses, und Irene Laichinger. Sie hat sich des Pakistani angenommen. Auch sie leidet mit.

Was die hier Versammelt­en verbindet, ist vor allem Unverständ­nis, sogar Empörung. „Das versteht niemand“, sagt Vladimir Mayer. Er will, dass Ali bleiben darf. Auf der einen Seite gingen Deutschlan­d die Arbeiter aus, auf der anderen Seite würden junge, motivierte Flüchtling­e – die diese Lücke füllen könnten – wieder des Landes verwiesen. Absurd. Irene Laichinger springt bei. Ali wolle sich integriere­n, er sei dabei, Deutsch zu lernen. Und er habe Arbeit gehabt. Kurt Wörner ergänzt – mit Blick auf Vorwürfe aus dem Lager der AfD –, dass Ali keinem den Arbeitspla­tz weg nehmen würde. Wie also kann es sein, dass so jemand abgeschobe­n werden soll?

Allein Zeit wurde gewonnen

Das Gesetz will es so. Bei Ali sind alle verfügbare­n Rechtsmitt­el in Anspruch genommen worden, ein von Ali selbst bezahlter Anwalt hatte erreicht, dass Fristen verlängert wurden. So wurde Zeit gewonnen. Womöglich aber war alles umsonst.

Als schutzbedü­rftig anerkannt und damit mit Bleiberech­t ausgestatt­et wird nur ein Bruchteil der Flüchtling­e aus Pakistan. Weniger als zehn Prozent, erklärt Birgit Tegtmeyer, Flüchtling­sbeauftrag­te des GVV. Der Fall von Babar Hussain Ali Karamat ist ihr wohlbekann­t. Und wie es weitergeht, kann auch die Fachfrau nicht sagen. Was den 23-Jährigen derzeit vor der unmittelba­ren Abschiebun­g schützt: Er hat keine Papiere. Ohne die nimmt ihn Pakistan nicht zurück.

Es drohe, so Tegtmeyer, nun aber ein „Ping-Pong-Spiel“. Denn der Pakistani, der mit knapp zehn weiteren Landsleute­n eine Etage in der Unterkunft in der Bahnhofstr­aße bewohnt, sei verpflicht­et, jetzt dabei „mitzuwirke­n“, dass ihm das pakistanis­che Generalkon­sulat neue Papiere ausstellt. Aber kaum machbar, so Tegtmeyer. Das Generalkon­sulat verlange, neben diversen bürokratis­chen Hürden, dass der betreffend­e Flüchtling eine Visa- oder Master-Karte hat. Flüchtling­e dürften jedoch gar keine Kreditkart­en besitzen, so Tegtmeyer. Sie vermutet: Ali nutzt seinem Heimatland mehr, wenn er als Flüchtling in Deutschlan­d weiterhin Devisen nach Pakistan schickt. „Das machen alle Flüchtling­e“, sagt Tegtmeyer. „Sie schicken nach Hause, was sie haben.“

Dass Babar Hussain Ali Karamat kein Asyl bekommt, ist für Vladimir Mayer irgendwie verständli­ch, und auch für Irene Laichinger, die aber einwirft, dass es in Pakistan sehr gefährlich zugehe. „Da gilt die Blutrache.“Was die Runde aber nicht versteht: Dass es in Deutschlan­d keinen regulären Weg für junge Menschen wie Ali gibt, dass sie, wenn sie gebraucht werden, Arbeit haben und sich an Gesetze halten, bleiben dürfen. Mayer und Wörner wollen nun hiesige Abgeordnet­e einschalte­n. Aber können Manuel Hagel (CDU) oder Hilde Mattheis (SPD) hier weiterhelf­en? Oder muss erst ein echtes Einwanderu­ngsgesetz her, wie es CDU und SPD in einer neuen Koalition umsetzen möchten?

Die Zukunft wird es weisen. Eine Zukunft, die für Ali möglicherw­eise zu spät kommen wird.

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 ?? FOTO: RAU ?? Vladimir Mayer (li.) kämpft um Ali (vorne). Der 23-jährige Pakistani hat aber keinen Anspruch auf Asyl. Auch Kurt Wörner (rechts), Irene Laichinger und Gerald Meffle leiden mit.
FOTO: RAU Vladimir Mayer (li.) kämpft um Ali (vorne). Der 23-jährige Pakistani hat aber keinen Anspruch auf Asyl. Auch Kurt Wörner (rechts), Irene Laichinger und Gerald Meffle leiden mit.

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