Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Rekordjahr für Lebensmittelhersteller
Tierwohl und Welternährung bestimmen Grüne Woche – Preise steigen moderater
BERLIN - Schlechtes Wetter hat im vergangenen Jahr für teilweise große Ernteeinbußen gesorgt. Die Folgen bekamen die Verbraucher beim Einkauf zu spüren. Um bis zu drei Prozent stiegen die Lebensmittelpreise, vor allem Obst oder Nüsse wurden teurer. Bauernpräsident Joachim Rukwied gibt für dieses Jahr Entwarnung. Die Landwirte gehen von nur noch 1,5 Prozent Preisanstieg aus.
Ob dies für alle Lebensmittel gilt, darf bezweifelt werden. Denn auch die Hersteller von Fertiggerichten oder anderen verarbeiteten Nahrungsmitteln kündigen schon „kostenbedingte Preissteigerungen“an, wie es der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVL) nennt.
Von schlechter Laune ist kurz vor der an diesem Freitag beginnenden Internationalen Grünen Woche bei beiden Verbänden nichts zu spüren. Die Industrie meldet für 2017 einen Umsatzrekord. 181 Milliarden Euro erwirtschafteten die Betriebe, fast sechs Prozent mehr als 2016. Mit rund 500 000 Beschäftigten zählt die Branche zu den wichtigen Industriesparten in Deutschland.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) wartet ebenfalls mit positiven Nachrichten auf. Nach der Milchkrise haben sich die Erzeugerpreise für die Bauern wieder erhöht. Auch insgesamt stiegen die Einkommen der Landwirte an.
Die Grüne Woche ist eine Messe, für die es anscheinend kein Haltbarkeitsdatum gibt. Vom 19. bis zum 28. Januar zeigt die weltweite Ernährungsbranche, was sie im Angebot hat. Wieder werden rund 400 000 Besucher erwartet, obwohl es viele der einst exotischen Spezialitäten längst in das übliche Sortiment der Supermarktketten geschafft haben. Dennoch zieht die Messe auch im 92. Jahr des Bestehens ein Massenpublikum an.
Fressmeile und Forum
Womöglich ziehen Essens-Neuheiten die Besucher an. Probiert werden können Burger aus Insekten. Aber es liegt auch an einem Bedeutungswandel in den Jahren nach der deutschen Einheit. Die Leistungsschau ist Fressmeile geblieben und zugleich agrarpolitisches Forum geworden. Allein 100 000 Fachbesucher werden erwartet. Die Größe der Boxen in Schweineställen, die Früherkennung des Geschlechts von Küken oder neue Alternativen zum Fleischkonsum treiben Landwirte, Tierschützer und Verbraucher wieder einmal um. Das seit Langem angekündigte Tierwohl-Label für eine bessere Haltung von Geflügel oder Schweinen wird nach einer Regierungsbildung wahrscheinlich gesetzlich geregelt. Derzeit wachsen nach Angaben des DBV 23 Prozent der Mastschweine schon nach den Haltungskriterien des Labels auf. 1000 Geflügelbetriebe wollen sich dieses Jahr dafür zertifizieren lassen. Als Ausgleich für die Mehrkosten gibt es Geld aus einem mit 130 Millionen Euro gefüllten Fonds, finanziert vom Einzelhandel. Die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln steht auch im Mittelpunkt des wichtigsten politischen Treffens in den Messehallen. Am Ende der Woche werden die Fachminister aus mehr als 70 Ländern auf einer Welternährungskonferenz zusammentreffen.
Beraten wird vor allem die Zukunft der Fleischproduktion, die bei einem anhaltend steigenden Verbrauch der Konsumenten zu einem globalen Umwelt- und Landnutzungsproblem wird. Ob die Konferenz einen Königsweg zwischen Nachfrage und Nachhaltigkeit finden kann, ist eher zweifelhaft.