Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Berlin besinnt sich auf eigene Stärken
Modewoche sagt dem Laufstegmarathon ade und konzentriert sich auf den Nachwuchs
BERLIN (dpa) - Natürlich gibt es noch die Frauen mit den superlangen Beinen, die Klamotten, von denen jeder Normalo nur träumen kann, und die Partys, die bloß mit Geheimcode zugänglich sind. Aber sonst ist bei der Berliner Modewoche, die am Montag begonnen hat und noch bis Freitag dauert, diesmal ziemlich viel anders als sonst.
Wichtigster Einschnitt: Das glamouröse Zelt am Brandenburger Tor hat ausgedient, mit dem Marathon an Laufstegschauen ist es vorbei. Stattdessen zeigte Sponsor MercedesBenz im herben Industriecharme des E-Werks nur noch ein Dutzend Spitzendesigner wie Ivanman, Riani oder Bogner – und konzentriert sich ansonsten auf die Nachwuchsförderung.
„Die Schau auf dem Laufsteg ist ein altes Modell, das hat sich längst überholt“, sagt Anita Tillmann. Die 45-Jährige ist als Geschäftsführerin der Premium-Gruppe allein für vier der acht parallel laufenden Einzelmessen verantwortlich, sie gehört zu den einflussreichsten Strippenzieherinnen der Szene. „Heute ist die Fashion Week ein strategisch-freundlicher Zusammenschluss aller Modeevents – kreativ, innovativ und zukunftsorientiert“, sagt Tillmann, die auch im Vorstand des Fashion Council Germany ist.
Erstmals hat der 2015 von ihr mitgegründete Zusammenschluss führender Branchenvertreter die Kalenderführung übernommen, er tritt als eine Art Kurator für das stadtweite Großevent auf. Besonders stolz sind die Verantwortlichen, dass sie den wegen seiner Karriere nach Mailand ausgewanderten Luxusdesigner Damir Doma wieder für die Heimat zurückgewinnen konnten. Der 36-Jährige zeigt seine Damen- und Herrenkollektion für den Herbst und Winter erstmals exklusiv in dem neuen Eventformat Fashion Hab – die Halle des legendären Technoclubs Berghain ist dafür gerade recht.
Auch die Kreativplattform „Berliner Salon“im Kronprinzenpalais hat mit Perret Schaad, Marina Hoermanseder, William Fan und anderen wichtige Trendsetter. Daneben präsentierten und präsentieren sich zahlreiche Designer mit eigenen Shows an ungewöhnlichen Orten – wie Strenesse auf einer riesigen Multimedia-Leinwand im Brandenburger Tor Museum oder Marc Cain im U-Bahnhof Potsdamer Platz.
„Unser erklärtes Ziel ist es, den deutschen Modestandort mit allen Facetten im In- und Ausland zu stärken“, sagt der Geschäftsführer des Fashion Council, Scott Lipinski. Gerade aus der Verbindung von Modedesign, Technologie und innovativen Materialien ergäben sich große Chancen, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) vorab. „Hier kann Deutschland seine Technologiestärke auch in der Modeindustrie nutzen.“
Schon heute ist die Textil- und Bekleidungsindustrie mit etwa 1400 Unternehmen und rund 135 000 Beschäftigten die zweitgrößte Konsumgüterindustrie in Deutschland, wie der Gesamtverband Textil und Mode berichtet. Allein im vergangenen Jahr entstanden nach Angaben von Präsidentin Ingeborg Neumann 1350 neue Arbeitsplätze.