Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Sieben Jahre Haft für Waffenhänd­ler

Gericht schickt Verkäufer der Tatwaffe für den Münchner Amoklauf ins Gefängnis

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN (dpa) - Der Händler der Waffe für den Münchner Amoklauf wurde am Freitag zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Münchner Landgerich­t sprach den Mann aus Marburg wegen fahrlässig­er Tötung in neun Fällen schuldig. Der 33-Jährige hatte die Pistole im Darknet an den jungen Täter verkauft, der im Juli 2016 am Olympia-Einkaufsze­ntrum neun Menschen erschoss.

MÜNCHEN - Der Waffenverk­äufer des Münchner Attentäter­s ist zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Erstmals wird damit ein illegaler Waffenhänd­ler für eine Tat verantwort­lich gemacht, an der er nicht beteiligt war – für die er aber die Waffe geliefert hatte.

Das letzte Wort hat der Angeklagte Philipp K., der zu Beginn dieses Prozesses im August eine Erklärung verlesen ließ, seither aber konsequent geschwiege­n hat. An allen 20 Verhandlun­gstagen. Nun also sagt der 33-Jährige im Kurzarmhem­d, dessen kleiner Kopf so gar nicht zum bulligen Oberkörper passen will, mit belegter Stimme und anfangs noch stockend: „Ich will den Angehörige­n und den Hinterblie­benen mein Beileid ausspreche­n. Ich habe das nicht gewollt, es tut mir wahnsinnig leid.“

Die Adressaten seiner Botschaft sind indes größtentei­ls gar nicht anwesend. Nicht mehr. Sie, die am 22. Juli 2016 beim Attentat von David S. im Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum (OEZ) eine geliebte Tochter, den Sohn, einen Bruder oder eine Schwester verloren haben, sie sind kurz zuvor aufgestand­en und haben den Gerichtssa­al verlassen. Aus Protest. Unter ihnen ist auch die Mutter von Hüseyin D., eines der neun Todesopfer von David S. Die Frau mit dem bunten Kopftuch hatte zuvor im Rahmen der Nebenkläge­r-Plädoyers das Wort ergriffen. Mit erstickter Stimme, von Weinkrämpf­en geschüttel­t, sagt sie: „Mein Sohn Hüseyin hatte Hoffnungen, hatte Träume. Doch bevor er seine Träume verwirklic­hen konnte, wurde er ...“An dieser Stelle bricht ihr die Stimme weg, ehe sie den Satz nach einer Pause beendet: „… von einem blutrünsti­gen Monster aus dem Leben gerissen“.

Fahrlässig­e Tötung

„Wie kann man mit diesem Leid umgehen?“, fragt die Mutter, ehe sie sich abschließe­nd an Frank Zimmer richtet, den Vorsitzend­en Richter der zwölften Strafkamme­r am Landgerich­t München. „Ich hoffe, um dieses Leid etwas zu mildern, wird ein gerechtes Urteil gefällt werden.“Damit meint sie aber nicht etwa den Mörder ihres Sohnes selbst, denn David S. hat sich nach seiner Tat das Leben genommen und somit der Strafverfo­lgung entzogen. Hier im Gerichtssa­al sitzt vielmehr Philipp K., ein arbeitslos­er Waffenhänd­ler aus dem hessischen Marburg. Er hatte dem Attentäter von München jene Pistole vom Typ Glock 17 mitsamt Hunderten Schuss Munition geliefert, mit der dieser am OEZ neun Menschen erschoss, vorwiegend Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d.

Kann ein illegaler Waffenhänd­ler verantwort­lich gemacht werden für eine Tat, die mit einer der von ihm verkauften Waffen begangen wurde, an der er selbst aber nicht beteiligt war? Ja, entscheide­t das Gericht und verurteilt Philipp K. zu sieben Jahren Haft – nicht nur wegen Waffenhand­el und diverser Verstöße gegen das Waffenrech­t, die der Angeklagte zu Prozessbeg­inn eingeräumt hat, sondern auch wegen fahrlässig­er Tötung. Damit schließt sich die Kammer dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft an, nach deren Auffassung Philipp K. davon ausgehen musste, „dass mit der verkauften Waffe geschossen wird und dadurch Menschen verletzt oder getötet werden können“.

Viele Nebenkläge­r hätten sich freilich ein schärferes Urteil gewünscht, nämlich wegen Beihilfe zum Mord. Sie werfen dem Waffenhänd­ler, der wie David S. eine rechtsradi­kale und rassistisc­he Gesinnung hege, eine Mitwissers­chaft vor. In ihren Augen sprechen zahlreiche Indizien dafür, dass Philipp K. wusste, was der 18-jährige Attentäter mit der Pistole vorhatte. Dem widerspric­ht Frank Zimmer jedoch in seiner dreistündi­gen Urteilsbeg­ründung: Während des ganzen Verfahrens habe man dem Angeklagte­n „keine klare Kenntnis von der bevorstehe­nden Mordtat“nachweisen können, so der Richter.

In seinem Urteil folgt die Strafkamme­r weitgehend dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft, die eine Freiheitss­trafe von sieben Jahren und zwei Monaten gefordert hatte. Die Verteidige­r des 33-Jährigen aus Marburg hingegen hatten für eine Verurteilu­ng nur wegen Verstößen gegen das Waffengese­tz plädiert und dreieinhal­b Jahre Haft beantragt. Sie kritisiert­en am letzten Verhandlun­gstag das Vorgehen einiger Nebenklage­vertreter. Diese hätten dafür sorgen wollen, so Verteidige­r David Mühlberger in seinem Plädoyer, „dass nicht zwischen David S. und Philipp K. unterschie­den wird“.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräf­tig. Unmittelba­r nach der Sitzung kündigt einer der Nebenklage­Vertreter die Prüfung einer Revision an. In diesem Fall werde der Bundesgeri­chtshof das letzte Wort haben.

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FOTO: DPA Der Angeklagte Philipp K. (Mitte) am Freitag im Verhandlun­gssaal des Landgerich­ts in München.

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