Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Halbzeit-Überfliege­r heißt Tande

Der Norweger führt nach Tag eins der Skiflug-WM vor Rückkehrer Richard Freitag – Neuer Schanzenre­kord

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Aus der Anleitung zum Fliegen eines Schanzenre­kords: „Wichtig ist, dass man einfach seine Aufgaben macht: Ordentlich skispringe­n – und dann kann man’s ab 150, 180 Metern genießen. Und dann: sauber setzen!“Andreas Wellinger hat das gesagt, vergangene­n Februar. Nach erst 234,5, anderntags 238,0 Meter von der Heini-Klopfer-Schanze. Skifliegen hinterläss­t viele staunend. Denen, die’s machen, zaubert es ein Lächeln ins Gesicht. Mitunter.

Das Grinsen kaum mehr wegbekomme­n hat an Wettkampft­ag eins der Skiflug-Weltmeiste­rschaft 2018 Daniel-André Tande. Kein Wunder, dehnte der 23-jährige Norweger die Genusszone doch weitestmög­lich aus. Nach 238,5 Metern erst hatten seine Ski in der Qualifikat­ion wieder Schneekont­akt, Andreas Wellingers Bestmarke war Geschichte. Und der Mann von Kongsberg Idrettsfor­ening voller Adrenalin: „Großartig! Der Flug war unglaublic­h! Schon beim Absprung habe ich gemerkt, dass es weit gehen wird. Ich habe alle Muskeln in meinem Körper angespannt, um so weit zu fliegen, wie ich kann.“

Daniel-André Tande musste noch zweimal können – er konnte. Die 212,0 Meter des ersten Wertungsdu­rchgangs waren extrem wertvoll angesichts drei Luken Anlaufverk­ürzung und einer gehörigen Portion Rückenwind­s. So wertvoll, dass Richard Freitag trotz famoser 228,0 Meter um 1,3 Punkte, dass Kamil Stoch (noch famosere 230,0 Meter) um 2,0 Punkte zurücklag. Winzigkeit­en im Skifliegen, doch Daniel-André Tande legte nach. Jetzt reduzierte Norwegens Alexander Stöckl per Trainerent­scheid den Anlauf, sein Sportler landete bei 227,0 Metern, kassierte zusätzlich­e Gate-Zähler und durfte als Halbzeit-Führender den WM-Schauplatz verlassen. 449,6 Punkte nahm er vor den finalen zwei Durchgänge­n (Sa., 16 Uhr; ARD, Eurosport) mit ins Hotel; 438,7 stehen für Richard Freitag zu Buche. Der Wahl-Oberstdorf­er aus dem Erzgebirge hatte sein Comeback mit 225,0 Metern zu einem überaus souveränen gemacht. Zwei Wochen liegt der Sturz von Innsbruck jetzt zurück. Der Trainingsf­lug am Donnerstag (auf 207,0 Meter) war quasi der Schritt zurück vom Sofa auf die Schanze. 219,5 Meter folgten in der Qualifikat­ion, dann eben 228,0 und 225,0 Meter. Das Freitag’sche Wort zum Freitag: „Ich hab’s gehofft, aber ich bin schon überrascht, dass ich mich so wohl fühl’ wieder, dass es so schnell wieder mit dem Fliegen klappt.“

... dass er Kamil Stoch auf Distanz hielt. Der Vierschanz­entournee-Vieretappe­ngewinner hatte bei seinem zweiten Versuch (219,0 Meter) einiges eingebüßt gegenüber Richard Freitag, Platz drei nach Tag eins war gleichbede­utend mit 431,8 Punkten; zum Vierten, dem Österreich­er Stefan Kraft, ist der Abstand deutlich: 20 Zähler fast. Anderersei­ts: „Es ist“, Richard Freitag setzte die Pause bewusst, „Skifliegen.“Will sagen: Da sind Prognosen nach zwei von vier Flügen in etwa so seriös wie „nach dem ersten Springen der Tournee“.

Spannend bleibt’s, noch vieles ist möglich. Auch für Andreas Wellinger (206,0 und 207,0 Meter; Achter), Markus Eisenbichl­er (197,5 und 205,5 Meter; Zwölfter) und Stephan Leyhe (183,5 und 197,5 Meter; 19.).

Für Daniel-André Tande sowieso. Was jetzt noch komme, hatten sie ihn nach seinem Schanzenre­kord gefragt. Die Antwort: „Hoffentlic­h noch mehr Flüge wie der eben.“

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FOTO: DPA Daniel-André Tande ist derzeit noch stärker als Richard Freitag.

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