Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Einer muss regieren
Es hätt noch mal jot jejange, wie der alte Adenauer sagte, in Bonn am Rhein. Die Sozialdemokraten haben Vernunft und Verantwortungsbewusstsein gleichermaßen walten lassen und sich für Koalitionsgespräche mit der Union ausgesprochen. Es war knapp, denn es war nicht leicht für die SPD, in der sich viele Delegierte danach sehnen, entschlossen nach links zu rücken. Doch ohne eine Regierung gibt es auch keine Opposition. Wenn in Deutschland aber bereits die Linken, FDP und AfD nicht regieren wollen, hätten die Sozialdemokraten sich dann wirklich verweigern können?
Nicht von ungefähr mahnte Martin Schulz ein ums andere Mal die Genossen, die Alternative wären Neuwahlen. Bei denen könnte die SPD nach einer solchen Verweigerung wohl kaum auf Erfolg hoffen. Doch es war vielleicht weniger die bemühte Rede von Parteichef Martin Schulz, in der er eher einschläfernd für die Punkte der Sondierungen warb, als andere, wie Malu Dreyer, wie Stephan Weil, Manuela Schwesig, Karl Lauterbach und vor allem Andrea Nahles, die die Genossen überzeugten. Die Fraktionschefin erinnerte ihre Partei an die Menschen, für die sie Politik machen will, an die kleinen Leute und daran, wie man Stück für Stück deren Leben verbessern könne. Geschickt sprach sie den Stolz auf Erreichtes wie den Mindestlohn an und appellierte an die Leidenschaft, für weitere Verbesserungen wie jene bei der Erwerbsminderungsrente zu streiten. Die SPD muss erkennen, dass die Kunst in der Einsicht besteht, nicht alles durchsetzen zu können. Sie muss die Fähigkeit entwickeln, auf erreichte Erfolge stolz zu sein, statt immer nur die Defizite zu analysieren.
Die SPD kann in der Regierung mehr für die Menschen tun als in der Opposition. Deshalb ist es gut, dass die Partei sich einen Ruck gegeben hat. Es wird zwar weitere kräftige Erschütterungen geben, bis ein Koalitionsvertrag steht. Doch zu hoffen ist, dass die Mitglieder der SPD froh sein werden, wenn sie in einem Mitgliederentscheid darüber abstimmen können, die künftige Politik wieder mitzugestalten.