Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Verlockende Düfte entführen in den Süden
Die Pianistin Khatia Buniatishvili und das Orchestre Philharmonique du Luxembourg in Friedrichshafen
FRIEDRICHSHAFEN - Im kommenden März jährt sich der Todestag des französischen Tonmalers Claude Debussy zum 100. Mal. Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg ehrt den Komponisten derzeit im Rahmen einer europaweiten Tournee unter der Leitung seines spanischen Chefdirigenten Gustavo Gimeno. Beim umjubelten Auftritt im Friedrichshafener Graf-ZeppelinHaus stand neben sinfonischen Werken Debussys auch Musik von Richard Wagner auf dem Programm. Außerdem erklang Franz Liszts zweites Klavierkonzert mit der jungen georgischen Solistin Khatia Buniatishvili.
Etwas langwierig geriet der Konzertauftakt mit Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre und dem für eine Pariser Präsentation der Oper nachkomponierten, recht ungünstig instrumentierten „Venusberg-Bacchanal“. Das in riesiger Besetzung aufspielende Orchester ließ zunächst mit kultiviertem, fein abgetöntem Bläserbeginn aufhorchen, im weiteren Verlauf aber stellenweise Präzision bei der Koordination vermissen. Weniger an Dauer wäre da im Blick auf das gesamte Abendprogramm mehr gewesen, zumal noch ausgedehnte Zugaben folgen sollten.
Frischen Wind brachte die fulminante Darbietung von Liszts Klavierkonzert A-Dur in das Klanggeschehen. Sechs ineinander übergehende, dramaturgisch spannend gestaltete Abschnitte geben hier der Solistin und den Orchestergruppen reichlich Gelegenheit zu einem wechselvollen, oft kammermusikalisch intimen Dialog auf Augenhöhe. An diesem beteiligten sich auch Soloinstrumente wie Horn, Oboe oder Cello mit betörenden Kantilenen. Buniatishvili und das Orchester spornten sich bei diesen Episoden gegenseitig zu Höchstleistungen an.
Die längst auf großen Podien der internationalen Klassikwelt angekommene Pianistin bot in Friedrichshafen eine brillante Interpretation von Liszts horrend schwierigem Solopart. Temperamentvoll bewältigte sie alle klaviertechnischen Schikanen, wo sich gewaltige Tonmassen dramatisch aufgipfeln. Abruptes Abdriften in lyrisch verträumte oder elegisch verhaltene Gefilde brachte sie durch fein dosierte Pedalverwendung effektvoll zur Geltung. Lediglich bei einigen unvermittelt angezogenen Tempi geriet ihr Zusammenspiel mit dem Orchester etwas aus dem Lot.
Über Buniatishvilis Posieren am Klavier kann man streiten. Es mag ihr bei vielen Fans Erfolg bringen, geht aber selbst bei diesem auf Publikumsüberwältigung setzenden Virtuosenkonzert über die interpretatorisch begründbare Selbstdarstellung hinaus. Eine Ausnahmekünstlerin wie Buniatishvili hätte diese an ein Fotoshooting erinnernde Show gar nicht nötig. Als Meisterin leiser Töne bezauberte sie nach tosendem Applaus mit einer zart hingehauchten Zugabe von „Claire de lune“aus Debussys „Suite bergamasque“und leitete damit zur zweiten Konzerthälfte über.
Nach der Pause durfte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg seine Qualitäten umfassend unter Beweis stellen. Los ging es mit Debussys Tongemälde „Ibéria“, das als zweiter Teil von dessen dreisätziger Orchestermusik „Images pour orchestre“eine bunte akustische Szenerie entfaltet. Die immaginäre Reise führt zunächst durch südländische Straßen und Wege („Par les rues et par les chemins“), macht dann mit verlockenden Düften der Nacht bekannt („Les parfums da la nuit“) und endet am folgenden Morgen, an dem sich Musiker für ein Fest treffen („Le matin d’un jour de fete“).
Gustavo Gimeno überzeugt am Pult
In Friedrichshafen wurde das Publikum nach sensationell präzisem Tuttischlag zur Eröffnung des Stücks von klackenden Kastagnettenrhythmen, gitarrenartigen Pizzicatoklängen und allerlei folkloristischen Assoziationen flugs auf die iberische Halbinsel entrückt. In subtil austarierter Interaktion der Orchestergruppen entstanden farbreiche Hörbilder. Auch Debussys Orchesterkomposition „La Mer“(„Das Meer“), die anschließend gespielt wurde, lebt von genialer Instrumentationskunst. Drei „sinfonischen Skizzen“bieten hier eine perfekte „Übersetzung“maritimer Impressionen mit Stimmungswechseln vom Morgengrauen über die Mittagshitze („De l’aube à midi sur la mer“) bis hin zum wilden, stürmischen Dialog von Wind und Wasser.
Dirigent Gustavo Gimeno, der sich seine Sporen als Assistent von Mariss Jansons beim Amsterdamer Concertgebouw-Orchester verdient hat, ließ die musikgewordenen Wellengänge, ihr mannigfaches Spiel von Nähe und Ferne imposant am Ohr vorbeiziehen. Unter seiner ruhigen, bis ins Detail klaren Zeichengebung gelang dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg trotz kleiner Unsauberkeiten eine eindrucksvolle Leistungsschau, die vom Publikum begeistert gefeiert wurde.