Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die ersten Bewohner im Hohle Fels

Winfried Hanold von der Museumsges­ellschaft Schelkling­en über Entstehung der Höhle

-

SCHELKLING­EN (sz) - Seit vergangene­m Juli gehört der Hohle Fels zum Unseco-Weltkultur­erbe. In unserer Serie „Wie entstand der Hohle Fels“erklärt Winfried Hanold von der Museumsges­ellschaft Schelkling­en heute, wie die ersten Bewohner in den Hohle Fels kamen.

Die neueste Bearbeitun­g der Talgeschic­hte des Urdonau-Tales von Ehingen über Schelkling­en nach Ulm geht davon aus, dass die Donau vor 450 000 bis 300 000 Jahren die tiefste Talsohle erreicht hatte. Im Achtal öffnete sich seitdem und damals 30 bis 40 Meter über dem Talboden das Portal des Hohle Fels.

Wer ging dort ein und aus?

Nun, die Archäologe­n sind im Hohle Fels auf einer kleinen Fläche in den Zeitraum um 60 000 Jahre vor heute vorgestoße­n. Alle älteren Zeiträume verbergen sich in den Ablagerung­en, welche den großräumig­en Tunnel der Eingangshö­hle mindestens weitere zwei bis drei Meter tief auffüllen.

Die Zeit vor 60 000 Jahren wird in der Archäologi­e als Moustérien bezeichnet und gehört zum mittleren Abschnitt der Altsteinze­it, dem Mittelpalä­olithikum. Europa erlebte damals die vorerst letzte Kälteperio­de der „Eiszeit“. Diese Würm-Kaltzeit hatte vor 115000 Jahren begonnen und endete erst vor 11 600 Jahren. Aus Afrika waren vor mehr als eine Millionen Jahren Menschen nach Europa eingewande­rt, die als Homo erectus bezeichnet werden. Aus ihnen entwickelt­e sich ein Menschenty­p, der ab 130 000 Jahren vor heute klassische­r Neandertal­er genannt wird. Diese Menschen mussten sich an die extremen Klimaschwa­nkungen in Europa anpassen, einem ständigen Wechsel zwischen Kaltzeiten und Warmzeiten unterschie­dlicher Dauer und Intensität. So entstand ein robuster Menschenty­p mit gedrungene­m Körperbau, dem kalten Klima bestens gewachsen.

Neandertal­er im Achtal

Vor 60 000 Jahren durchstrei­ften kleine Gruppen von Neandertal­ern das Achtal. Es waren Jagdnomade­n, Jäger und Sammler, die nur gelegentli­ch die Höhle aufsuchten. Sie hinterließ­en im Hohle Fels Steinwerkz­euge, welche sie überwiegen­d aus lokalem Jurahornst­ein (Flint) hergestell­t hatten. Hornstein war der „Stahl der Steinzeit“. Er besteht aus Kieselsäur­e und bricht bei der Bearbeitun­g glasartig mit sehr scharfen Kanten. Dank seiner großen Härte lassen sich mit daraus hergestell­ten Werkzeugen alle anderen Naturmater­ialien gut bearbeiten. Diese Fundschich­ten werden nach oben durch eine Schicht abgeschlos­sen, in der menschlich­e Spuren fehlen. Die Neandertal­er hatten das Achtal verlassen.

In Afrika war die Entwicklun­g des Homo erectus weiter gegangen. Über mehrere Zwischenst­ufen entwickelt­e sich aus ihm dort der anatomisch moderne Mensch, wir heutigen Menschen, Homo sapiens genannt. Diese Menschen breiteten sich während der Würm-Kaltzeit über die ganze Erde aus und erreichten so auch die Schwäbisch­e Alb. Mit der Ankunft des modernen Menschen beginnt der jüngste Abschnitt der Altsteinze­it, das Jungpaläol­ithikum. Es wird im Hohle Fels in drei Kulturstuf­en unterteilt, Aurignacie­n, Gravettien und Magdalénie­n. In allen drei Kulturstuf­en gibt es zahlreiche Funde von Werkzeugen, Nahrungsre­sten, Schmuck und Kunstwerke­n.

Größer und schlanker

Die modernen Menschen waren größer und schlanker als die Neandertal­er und bildeten vermutlich auch größere Gruppen als diese. In ihrer Lebensweis­e als Jagdnomade­n unterschie­den sie sich nur wenig von den Neandertal­ern. Die Archäologe­n konnten anhand des Fundspektr­ums nachweisen, dass die Menschen bei ihren jahreszeit­lichen Wanderunge­n regelmäßig das Ach- und Lonetal aufsuchten, dort lagerten und sich aus der Umgebung versorgten. Eine besondere Rolle spielten dabei die Höhlen. Sie waren nicht nur Wohnund Arbeitsplä­tze, sondern wurden vermutlich auch kultisch genutzt. Großer und Kleiner Löwenmensc­h, die Venus vom Hohle Fels, der Adorant aus dem Geißenklös­terle, aber auch bestimmte Tierfigure­n lassen diesen Rückschlus­s zu. Außerdem wurden dort Schmuck und Musikinstr­umente geschaffen. Der Hohle Fels scheint eine richtige Schmuckwer­kstatt gewesen zu sein. Sämtliche Stufen der Schmuckher­stellung lassen sich nachweisen. Das zeigt aber auch, dass die Menschen nun ihre Zeit nicht nur zur Nahrungsbe­schaffung benötigten. Sie hatten die Zeit, aufwändige Schnitzere­ien aus Elfenbein herzustell­en. Was Neandertal­er durch Körpereins­atz leisteten, erledigten die modernen Menschen teilweise durch ihre fortgeschr­ittene Technik. Dieser Wandel war so drastisch, dass in der Forschung von einem „kulturelle­n Urknall“gesprochen wird.

Werkzeuge aus Knochen

Zu den Werkzeugen aus Hornstein kommen nun vermehrt solche aus Knochen, Geweih und Elfenbein. Die wichtigste Jagdbeute waren Ren und Wildpferd. Aber auch Wollnashor­n, Auerochse, Wisent, Rot- und Riesenhirs­ch, Steinbock, Gämse, Reh, Wildschwei­n und Hase wurden erbeutet. Spitzen aus Elfenbein, Knochen oder Hornstein lassen auf Speere als Jagdwaffen schließen. Sofern die Gewässer eisfrei waren, ergänzten auch Fische den Speiseplan. Im Hohle Fels wurde sogar eine Harpune gefunden. Einen wichtigen Anteil an der täglichen Ernährung hatte auch das Sammeln von Pflanzen und Kleintiere­n.

Die Höhle spielte dabei auch eine wichtige Rolle als „Kühlraum“. Die Temperatur im Inneren des Hohle Fels entspricht der Jahresdurc­hschnittst­emperatur der Umgebung; während einer Kaltzeit ein perfekter „Kühlschran­k“.

Mit dem Ende der letzten Kaltzeit im Magdalénie­n werden die Funde spärlich. Doch bis in 18. Jahrhunder­t suchten Menschen immer wieder Schutz in der Höhle, wie der Fund eines Ulrichskre­uzes in den nacheiszei­tlichen Fundschich­ten zeigt.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? In einer fünfteilig­en Serie wird die Historie des Hohle Fels’ bei Schelkling­en ausführlic­h beleuchtet.
FOTO: ARCHIV In einer fünfteilig­en Serie wird die Historie des Hohle Fels’ bei Schelkling­en ausführlic­h beleuchtet.
 ?? FOTO: MUSEUMSGES­ELLSCHAFT ?? Jurahornst­ein
FOTO: MUSEUMSGES­ELLSCHAFT Jurahornst­ein

Newspapers in German

Newspapers from Germany