Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Verhältnisse wie in Russland? Kneer attackiert Rat und Westerheimer Verwaltung
Knackiger Bürgerstammtisch der „Aktiven Bürger – neue demokratische Liste“in Westerheim
WESTERHEIM (sz) - Ein „gutes Dutzend Mitbürger“habe sich für den Bürgerstammtisch der Westerheimer Gemeinderatsfraktion „Aktive Bürger – neue demokratische Liste“in der Albhallen-Gaststätte Mitte Januar interessiert. Dies teilen die „Aktiven Bürger“nun mit. Kaum ein gutes Haar lassen sie an der Gemeindeverwaltung.
Begrüßt wurden die Anwesenden von Gemeinderat Robert Baumeister, einen Jahresrückblick hielt im Anschluss Gemeinderat Pius Kneer, so heißt es in der Mitteilung. Insbesondere sei dieser auf die von den Aktiven Bürgern bei den Haushaltsberatungen gestellten Anträge eingegangen. Beispielsweise auf den Antrag auf Geschwindigkeitsbegrenzung im Bereich Schulstraße/Steigle, woraus dann eine „ausgewachsene Tempo-30-Zone“geworden sei. Näher ging dann Robert Baumeister auf die Westerheimer Einwohnerversammlung ein. Im Zuge dieser sei, so die Aktiven Bürger, Kritik vonseiten einiger Bürger aufgekommen – wegen einer „vorbereiteten Sitzordnung im Podiumsbereich“, diese sei mit dem Gemeinderat aber nicht abgesprochen gewesen. Für die Aktiven Bürger hatten die Gemeinderäte Markus Kässer, Robert Baumeister und Pius Kneer teilgenommen, und sie setzten sich zu den Einwohnerinnen und Einwohnern.
Kneer ging dann ausführlicher auf die aus Sicht der Aktiven Bürger „historische“Einführung der ersten Tempo-30-Zone in Westerheim ein (am 10. Oktober). Robert Baumeister merkte an, dass die von Bürgermeister Hartmut Walz veranlasste Prüfung des Beschlusses durch die Rechtsaufsicht die korrekte Beschlussfassung bestätigt habe. Einig war sich die Runde, dass dieser ersten Tempo-30-Zone „weitere folgen sollten“.
Und weiter ging der Blick zurück beim Bürgerstammtisch. Noch einmal thematisierten die Aktiven Bürger die Neufassung der Ehrenamtsentschädigungssatzung, welche im Dezember „zu einer lebhaften Diskussion am Ratstisch“gesorgt habe. Keine Mehrheit fanden verschiedene Änderungsanträge der Aktiven Bürger. Unter anderem wollten diese erreichen, dass ab einer Sitzungsdauer von vier Stunden ein höherer Entschädigungssatz gezahlt und eine „monatliche Grundpauschale“von 60 Euro gewährt wird. Letztlich, so die Aktiven Bürger, habe sich im Zuge der Debatte herausgestellt, dass schon nach der bisherigen Satzung Fraktionssitzungen zu entschädigen seien, dies aber keiner gewusst habe. Kneer: „Damit war einer unserer Anträge letztlich doch erfolgreich.“
Eine „ähnlich engagierte und kontroverse Debatte“hätten sich die Aktive-Bürger-Gemeinderäte in derselben Sitzung zur Änderung des Flächennutzungsplans gewünscht. Darin, so die Aktiven Bürger, ging es unter anderem um die Ausweisung einer Mischbaufläche am Ortsausgang Wiesensteig, die „zur Vorbereitung der Ansiedlung eines Discounters mit bis zu 800 Quadratmetern“Verkaufsfläche dienen solle. Das Regierungspräsidium würde davon aber „dringend abraten“, weil dies den Fortbestand der innerörtlichen Einzelhändler bedrohe. Zwar hätten zur Vorstellung des Sachverhalts dann Städteplaner Clemens Künster samt Mitarbeiter am Ratstisch Platz genommen. Doch es sei weder zu einem Sachvortrag, noch zu einer Beratung, „geschweige denn zu einer kontroversen Diskussion“gekommen. Der CDU-Gemeinderat Sebastian Wiedmann habe „unmittelbar nach Aufruf des Tagesordnungspunktes“die Abstimmung beantragt. Und Bürgermeister Walz habe diesen Antrag zur Abstimmung gestellt, „ohne dass den anderen Gemeinderäten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei“. Fünf Gegenstimmen hätten aber nicht geholfen, der Antrag zur Abstimmung wurde angenommen. In der anschließenden Abstimmung zur Sache habe dann das gleiche Bild geherrscht – so dass „nach guten zehn Minuten der Planer Künster, ohne ein Wort in der Sache gesagt zu haben, wieder die Heimreise antreten durfte“.
„Gegen jeglichen Anstand“
Die „Aktiven Bürger“betonten beim Bürgerstammtisch, „dass diese Vorgehensweise gegen jeglichen demokratischen Anstand verstößt“. Über Gründe könne nur spekuliert werden, führte Robert Baumeister aus. Es könne auch einfach „nur Feigheit“gewesen sein, sich offen zu seinem Abstimmungsverhalten „in dieser umstrittenen Frage zu bekennen“, merkte Pius Kneer an und ergänzte: „Dass ein demokratisch gewähltes Gremium auf die ihm zustehenden Rechte freiwillig verzichtet, kennt man eigentlich nur aus autokratischen Systemen. Wir sind hier aber weder in der Türkei noch in Russland.“Danach führte er Passagen aus der vom Gemeindetag herausgegebenen Mustergeschäftsordnung für Gemeinderäte zum ordentlichen Ablauf der Beratung im Gemeinderat an. Obwohl eine Geschäftsordnung für den Gemeinderat seit Jahrzehnten gesetzlich vorgeschrieben sei, gebe es eine solche in Westerheim nicht.
Seine Sorgen – gerade auch mit Blick auf den Flächennutzungsplan – hatte Pius Kneer auch in der jüngsten Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbandes Laichinger Alb vorgetragen. Bürgermeister Hartmut Walz hatte darauf in der Sitzung im Merklinger Backhaus nochmals betont, dass aus seiner Sicht alles rechtens abgelaufen ist. Zu diesem Schluss ist auch die Rechtsaufsicht gekommen, merkte das Gremium an.