Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Was Narren von Jecken unterscheidet
Winfried Kretschmann bekommt am Samstag in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“
AACHEN/RIEDLINGEN (dpa) - Für Schwaben ist das Rheinland Brauchtums-Ausland. In der fünften Jahreszeit umso mehr. Denn während die Rheinländer sich im Karneval einfach ein buntes Hütchen aufsetzen und schunkeln, ist der Fastnachtshumor im Schwäbischen traditionell eher ernsthaft. Wenn Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann heute in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“verliehen bekommt, prallen beide Traditionen aufeinander: Der eingefleischte Narr Kretschmann wagt sich in die Bütt. Ein Blick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Häs oder Häschen: Das Häs, also das Kostüm, ist das Entscheidende für einen schwäbisch-alemannischen Narren: Oft orientiert es sich an jahrhundertealten Vorbildern, wird in kunstvoller Handarbeit hergestellt und kann so einige Tausend Euro kosten. Die Larve, also die handgeschnitzte Holzmaske, muss in Fastnachtshochburgen wie Rottweil erst einmal das strenge Prüfverfahren der Zunft überstehen – denn nichts soll die Tradition des berühmten Narrensprungs verwässern. Und im Rheinland? Da ist das Häs oft genug ein Häschen. Der Overall aus Plüsch mit langen Ohren ist in Kostümgeschäften ab 25 Euro zu haben. Wobei sich viele Karnevalsfans mit ihrem Kostüm sehr viel Mühe geben – und nicht einfach von der Stange kaufen würden.
Süß oder herzhaft: Der Rheinländer mag es im Karneval süß: Tonnen von Kamelle werden bei den Rosenmontagsumzügen ins jecke Publikum geworfen. Schwäbisch-alemannische Narren mögen es da auch gerne herzhaft: Kretschmann zum Beispiel isst zur Fastnacht am liebsten Froschkutteln. Das ist das traditionelle Gericht seiner Narrenzunft Gole in Riedlingen. Dort geht es urigderb zu, Frauen sind von dem traditionellen Mahl bis heute ausgeschlossen. Und bevor die Rheinländer das Würgen kriegen: Froschkutteln sind eine Suppe aus Rinderinnereien.
Bützje oder Saublodere: Man hakt sich ein, rückt zusammen und gibt sich auch gerne mal ein Küsschen auf die Wange. Bützje gehören zum rheinischen Karneval einfach dazu. Und im Schwäbisch-Alemannischen? Da bekommt man auch öfter mal was auf die Wange, aber anders: Im Rottweiler Narrensprung stürmt der Federahannes auf die Zuschauer zu und zieht ihnen ein dubios parfümiertes Kalbsschwänzle durchs Gesicht. Bei manchem Fastnachtszug werden junge Frauen auch mit einer Saublodere (der aufgepumpten Blase eines
Schweins) oder einem Farrenschwanz (dem gedürrten Penis eines Ochsen) im Gesicht geneckt.
Feiner Humor oder Pointen mit Tusch: Rosenmontagszüge sind Publikumsmagnete, aber das eigentliche Herz des rheinischen Karnevals sind bis Weiberfastnacht die Saalveranstaltungen. Redner gehen in die Bütt, nehmen die große Politik aufs Korn – und nach jeder Pointe spielt die Kapelle einen Tusch und das Publikum lacht. Diese Art von Humor ist manchem schwäbisch-alemannischen Narren wohl eher suspekt. Fastnacht feiert man hier eher auf der Straße und im Wirtshaus.