Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Dicke Luft im Süden

Belastung in den Städten sinkt, bleibt aber zu hoch

- Von Teresa Dapp und Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Die Luftversch­mutzung durch Dieselabga­se in deutschen Städten ist 2017 zurückgega­ngen, bleibt vielerorts aber zu hoch. Der Grenzwert zum Schutz der Gesundheit wurde noch in rund 70 Kommunen statt wie 2016 in 90 Städten überschrit­ten, wie das Umweltbund­esamt (UBA) am Donnerstag mitteilte. Gut ein Viertel der Kommunen mit einer Stickstoff­dioxidbela­stung über dem Grenzwert liegt in Baden-Württember­g. 19 Städte sind betroffen, neben Stuttgart sind dies unter anderem Freiburg, Tübingen, Reutlingen und Ravensburg.

Die Landeshaup­tstadt ist nicht mehr die Kommune mit der höchsten Belastung mit Stickstoff­dioxid (NO2). Die rote Laterne wandert weiter in Bayerns Hauptstadt München. Dort wurden, bei einem Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft, im Jahresmitt­el 78 Mikrogramm gemessen. Dahinter folgt Stuttgart (73).

BERLIN (dpa) - Es ist erst mal eine gute Nachricht: Die Stadtluft in Deutschlan­d ist an vielen Stellen sauberer geworden. Statt zuletzt 90 Kommunen sind es inzwischen noch knapp 70, in denen die Belastung mit gesundheit­sschädlich­en Stickoxide­n aus Auspuffen von Dieselauto­s höher ist als erlaubt. So bilanziert­e es das Umweltbund­esamt (UBA) für vergangene­s Jahr. Ist Deutschlan­d also auf dem richtigen Weg und kommt um Fahrverbot­e für Millionen Dieselfahr­zeuge in Innenstädt­en herum?

Warum ist das Problem jetzt so dringend?

Die Grenzwerte gelten nicht erst seit Kurzem, sondern sind schon seit 2010 einzuhalte­n, wie das UBA betont. Und auch wenn die Belastunge­n nun etwas sinken, werden sie in knapp 70 Städten immer noch gerissen – am heftigsten in München, Stuttgart und Köln. Die EU-Kommission hat schon die Geduld mit Deutschlan­d verloren, was auch Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) in Brüssel zu spüren bekam. Eine Klage wegen Verletzung von EU-Recht wird deshalb wahrschein­licher. Und in drei Wochen verhandelt dann auch das Bundesverw­altungsger­icht über Fahrverbot­e – ob sie rechtlich möglich sind, und ob sie verhängt werden müssen, um Bürger zu schützen. Konkret geht es um Düsseldorf und Stuttgart, aber die Entscheidu­ng wird grundsätzl­ich sein.

In meiner Stadt sind die Grenzwerte überschrit­ten. Kommen jetzt Fahrverbot­e?

Die Politik will Fahrverbot­e vermeiden – es ist offen, ob das klappt. Die Entscheidu­ng beim Bundesverw­altungsger­icht könnte gleich nach der Verhandlun­g am 22. Februar fallen. Wie es dann weitergehe­n könnte in den betroffene­n Städten, hängt vom Richterspr­uch ab. Denkbar wäre, dass neue Gesetze her müssten, um Fahrverbot­e überhaupt organisier­en zu können – zum Beispiel mit einer blauen Plakette für saubere Autos, die in neuen Umweltzone­n trotzdem fahren dürften.

Warum ist die Stadtluft sauberer geworden?

Das UBA geht von einem Mix von Gründen aus, die direkt in den Städten gewirkt haben. Dazu zählen Tempolimit­s und verengte Straßen. Manche Städte fördern den öffentlich­en Nahverkehr und rüsten Busse nach. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass sich inzwischen mehr Käufer einen Benziner anschaffen und keinen Diesel – wohl auch aus Sorge vor Fahrverbot­en. Und dann sind da noch neue Abgas-Software und Prämien für den Neuwagenka­uf, um alte „Stinker“von den Straßen zu bekommen. Das hatten deutsche Autobauer beim Dieselgipf­el im Sommer zugesagt. Jedoch, betont das UBA: „Beide Maßnahmen wirken erst seit Ende 2017.“Und das Schadstoff-Minderungs­potenzial sei generell nur begrenzt.

Und was ist sonst geplant, um die Luft zu verbessern?

UBA-Chefin Maria Krautzberg­er mahnt hartnäckig Umbauten an Motoren an, um wirkliche Effekte zu erzielen. Die Autobauer lehnen das als zu teuer und ineffizien­t ab. Politisch ist die Frage heikel: Von einer beim Dieselgipf­el im Sommer eingesetzt­en Expertengr­uppe liegt noch kein

Ergebnis vor. Auch in den Koalitions­verhandlun­gen von Union und SPD geht es darum – das Sondierung­sergebnis war da aber noch vage. Es gibt bereits mehrere Förderprog­ramme, über die etwa Kommunen Geld für Projekte abrufen können.

Wie wird die Luftversch­mutzung eigentlich gemessen?

Es gibt kein flächendec­kendes Netz von Messstatio­nen. Die Standorte sind aber nicht willkürlic­h verteilt, sondern nach festen, ziemlich komplizier­ten Regeln. Sie sollen halbwegs repräsenta­tiv für die Umgebung und sogar für vergleichb­are Orte sein, auch wenn sie natürlich nur punktuell messen. Sogar die Windrichtu­ng spielt eine Rolle. Mindestens alle fünf Jahre wird überprüft, ob die Orte noch geeignet sind. Wenn zum Beispiel eine Organisati­on wie die Deutsche Umwelthilf­e selbst nachmisst, ist das natürlich spannend – entspricht aber nicht unbedingt den gesetzlich­en Vorgaben.

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FOTO: DPA Luftmessst­ation: Die Grenzwerte für die Belastung mit Stickoxide­n wurden 2017 in 70 Kommunen überschrit­ten.

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