Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Einkaufen über die Eier-Notrufsäule
Landwirte informieren sich in Feldstetten darüber, wie sie in Zukunft ihre Produkte an den Kunden bringen
FELDSTETTEN - Über erfolgreiche Direktvermarktung bei verändertem Verhalten von Kunden beim Einkaufen sprach Birgit Jacquemin. Die Beraterin für Direktvermarkter von der Landwirtschaftskammer NordrheinWestfalen versorgte etwa 35 Teilnehmer mit wertvollen Tipps. Das Seminar wurde vom Fachdienst „Landwirtschaft“des Alb-Donau-Kreises angeboten.
An welchen Herausforderungen kommt die Landwirtschaft künftig nicht vorbei? Was muss getan werden, um die Kundenbedürfnisse zu erschließen? Und wie sehen die geeigneten Maßnahmen für gute Markt- und Absatzchancen aus? Direktvermarktung ist ein breites Feld – nicht einfach, aber für die 35 Betroffenen, die sich am Montag in Feldstetten trafen, von großem Interesse.
Wie bringen Landwirte ihre Eier, ihre Milch, ihre Wurstwaren oder selbst hergestellte Produkte wie Marmalade oder Spirituosen am besten an den Kunden? Auf welchen Tasten der Klaviatur des Marketings muss mitgespielt werden?
WhatsApp für Geschäftsleute
Durchaus neu war zum Beispiel für so manch einen, dass „WhatsApp“gerade eine Businessvariante entwickelt und Facebook weitaus schnelllebiger ist, als man denkt. Aber WhatsApp und Facebook und andere Netzwerke ständig zu aktualisieren, die über das Internet eingehenden Bestellungen zu erledigen und sich als Direktvermarkter im Netz bestmöglich zu präsentieren oder gar einen Online-Shop anzubieten – das erfordert Zeit. „Sogar beim OnlineShopping gibt es schon einen WhatsApp-Button“, sagte die Referentin. Der Tipp: 120 Euro kostet ein technisches Modell dafür, um mit einer einzigen Eingabe alle Beiträge über das eigene Unternehmen in allen Netzwerken auf den neuesten Stand zu bringen.
Doch nicht jeder Kunde, der im Online-Shop ist, kauft auch. Und wenn er mal kauft, dann könnte sich der Versand eigener Produkte durchaus schwer gestalten: Zum Beispiel selbst hergestellte Spirituosen, die auf dem Postweg kaputt gehen. Zu berücksichtigen sind für den Verkäufer deswegen auch die Preise für den Transport. Denn die müssten eigentlich auf die Produktkosten aufgeschlagen werden. Wann lohnt sich also ein Online-Shop?
Hinzu kommt, dass viele Menschen mit einem Online-Shop immer noch nicht zurecht kommen, so eine Teilnehmerin. Laut Statistik kaufen drei von 100 „Besuchern“eines Online-Shops – sogenannte „top shops“schaffen 30 von 100. Es sei „eklatant anstrengend“, einen Kunden als Online-Kunden zu behalten, bestätigte eine weitere Teilnehmerin. Deswegen sei gut zu überlegen, welche Produkte onlinefähig sind. Häufig kämen dann noch längere Lieferzeiten hinzu, wenn in kleinen Betrieben alles selbst verpackt und geprüft werden müsse.
Immer wieder neue Ideen
Alle 20 bis 30 Jahre ändert sich die Art, wie Menschen Lebensmittel kaufen, so die Referentin. Vor 60 Jahren entstand der erste Selbstbedienungsmarkt. 20 Jahre später folgte die Shoppingcenter-Welle, jetzt ist das Internet dran. Nicht jeder Händler muss ins Netz, aber jeder stationäre Händler müsse die Frage beantworten können, warum ein Kunde in seinen Laden kommen soll.
Kunden kaufen anders und ernähren sich anders in einer veränderten Arbeitswelt und anderem Zeitmuster bei wachsender Mobilität. Weitaus ausgeprägter sei in NordrheinWestfalen der Boom zum Automatenverkauf – bis hin zur Eier-Notrufsäule. Die Vorratshaltung nimmt ab, der Konsum außer Haus nimmt zu.
In der Direktvermarktung können Betreiber mit den Ladenöffnungszeiten der Discounter nicht mithalten. Sind Automaten deswegen eine Lösung? Zeitunabhängig bieten sie eine Möglichkeit für Spontaneinkäufe und „was Gutes vom Hof“im 24Stunden-Service. Vom Grillfleisch über Milch und Eier, Getränke, Snacks und sogar Heu für Kleintiere ist alles möglich. Aber auch hier stelle sich die Frage: Lohnt es sich?