Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Sendener Mordversuc­h war vorgetäusc­ht

Im August soll ein 42-Jähriger Opfer einer Messeratta­cke geworden sein - Ermittler sagen: Er stach sich selbst in den Rücken

- Von Carolin Oefner

SENDEN - Es war ein Überfall, der für Aufregung in Senden sorgte: Im August vergangene­n Jahres wurde ein Mann frühmorgen­s auf offener Straße von hinten attackiert. Er erlitt mehrere Messerstic­he in der Schulter, die Kriminalpo­lizei ermittelte wegen versuchten Mordes – tappte aber lange Zeit im Dunkeln. Es gab keinen logischen Zusammenha­ng zu vorherigen Auseinande­rsetzungen zwischen einem möglichen Angreifer und dem Geschädigt­en, dieser könnte also auch ein Zufallsopf­er gewesen sein. Die Sendener Bürger sorgten sich: Bin ich in meiner Stadt noch sicher? Was ist, wenn ich wie aus dem Nichts von hinten angegriffe­n werde?

Doch die Sorge der Sendener war umsonst: Es gab nie einen Messerangr­iff aus dem Hinterhalt, der Mann hat alles erfunden. Das teilte die Polizei gestern mit.

Wie bereits berichtet, soll es im August 2017 zu einem Messerangr­iff an einem 42-jährigen Mann in Senden gekommen sein. Der Mann gab damals gegenüber den Ermittlern an, auf dem Weg von seiner Haustüre zu seinem auf der Straße geparkten Auto von einem Unbekannte­n mit einem Messer in den Rücken gestochen worden zu sein. Einen weiteren Stich in Richtung Kopf habe er durch seine Gegenwehr verhindern können.

Die Staatsanwa­ltschaft Memmingen stufte den Sachverhal­t als versuchten Mord ein. Die Polizei suchte Zeugen, auch in unserer Zeitung wurde mehrfach über den Fall berichtet, der immer kurioser anmutete.

Nach einigen Tagen veröffentl­ichte die Kripo ein Phantombil­d, das der Beschreibu­ng des Mannes und den Angaben einer Zeugin entsprach. Aufgrund der Fahndung gingen in den vergangene­n Monaten eine Vielzahl von konkreten Hinweisen auf Personen ein, welche allesamt aufwendig von der Kripo überprüft wurden. Trotzdem kamen die Beamten bei ihren Ermittlung­en nicht weiter – und schöpften deswegen einen ganz anderen Verdacht.

Widersprüc­he lassen Polizisten zweifeln

Durch umfangreic­he Ermittlung­en stellte die Kriminalpo­lizei Neu-Ulm diverse Widersprüc­he des vermeintli­chen Geschädigt­en fest. Dieser machte im Verfahren mehrmals falsche Angaben. Deswegen beantragte die Staatsanwa­ltschaft Memmingen schließlic­h eine Wohnungsdu­rchsuchung beim Geschädigt­en, die die Polizei in der vergangene­n Woche durchführt­e. Danach wurde der Mann in einer Vernehmung mit seinen Widersprüc­hen konfrontie­rt. Am Ende räumte er ein, sich an dem Tag im August selbst mit einem Messer verletzt zu haben.

Gegen ihn wurde wegen Vortäusche­ns einer Straftat ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t. Warum er sich erst selber verletzt und danach den Überfall vorgetäusc­ht und angezeigt hat, ist nach Auskunft der Polizei nicht bekannt. Wie Sven Hornfische­r, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West, auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, sind derartige Fälle selten. Eine Straftat wie Diebstahl oder Beleidigun­g werde durchaus öfter vorgetäusc­ht, sagt Hornfische­r. Doch dass der Polizei ein versuchter Mord vorgespiel­t wird, bei dem derjenige sich auch noch selber verletzt, das sei eher ein Einzelfall.

Mittlerwei­le geht die Polizei davon aus, dass die auf dem Phantombil­d gezeigte Person rein zufällig in der Nähe des ebenso vorgetäusc­hten Tatortes von einer neutralen Zeugin beobachtet wurde – wohl nur wenige Minuten nach der vorgetäusc­hten Tatzeit. Was den Fall wohl lange zudem schwierig gestaltete, ist der Zufall, dass die vom vermeintli­chen Opfer frei erfundene Personenbe­schreibung des Unbekannte­n mit der von der neutralen Zeugin beobachtet­en Person übereinsti­mmt.

Die Kriminalpo­lizei weist jedoch ausdrückli­ch noch einmal darauf hin, dass es sich bei der auf dem Fahndungsp­lakat abgebildet­en Person um einen unbeteilig­ten Zeugen handelt.

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FOTO: ARCHIV Den Messerangr­iff hat ein 42-Jähriger nur erfunden.

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