Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bundeswehr fehlen einsatzber­eite Panzer

Zugesagter Nato-Einsatz gefährdet – Brugger fordert „echte Reform im Beschaffun­gswesen“

- Von Daniel Hadrys, Andreas Herholz und dpa

RAVENSBURG/BERLIN - Vor der Münchner Sicherheit­skonferenz kritisiere­n Verteidigu­ngsexperte­n neue Mängel bei der Bundeswehr. Vor allem der CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen und Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s stellt der Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel ein miserables Zeugnis aus. So sei der Ausrüstung­sstand der Bundeswehr wegen der vielen ausgefalle­nen Waffensyst­eme ein „Skandal“ und ein „staatliche­r Offenbarun­gseid“, wie Röttgen der „Stuttgarte­r Zeitung“sagte.

Die Ravensburg­er Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger (Grüne) macht Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen für die Mängel verantwort­lich. Die CDU-Politikeri­n müsse ihre „Show einstellen und sich stattdesse­n endlich um die konkreten Probleme der Bundeswehr kümmern“, sagte Brugger der „Schwäbisch­en Zeitung“. Um Ordnung ins „Rüstungsch­aos“zu bringen, seien eine „realistisc­he und zukunftsfe­ste Personalpl­anung“sowie eine „ehrliche Debatte über sicherheit­spolitisch­e Prioritäte­n und eine echte Reform im Beschaffun­gswesen“nötig.

Der Aalener CDU-Verteidigu­ngspolitik­er Roderich Kiesewette­r schiebt die Schuld dem Koalitions­partner SPD zu. Bei einer Erhöhung des Wehretats male die SPD „das Schreckges­penst der Aufrüstung an die Wand“, sagte Kiesewette­r der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die vereinbart­e Budgetstei­gerung für die Bundeswehr im Koalitions­vertrag sei „ein nur sehr mageres Ergebnis“.

Ausgelöst hatte die Debatte ein Bericht der „Welt“. Nach Informatio­nen der Zeitung mangelt es massiv an einsatzber­eiten Kampfpanze­rn. Von 2019 an soll die Bundeswehr nach eigenen Angaben wieder eine führende Rolle in der sogenannte­n „Speerspitz­e“des Nato-Militärbün­dnisses für rasche Einsätze übernehmen. So stehen derzeit nur neun von 44 vorgesehen­en Kampfpanze­rn des Typs Leopard 2 zur Verfügung.

Hans-Peter Bartels, der Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestags, fordert im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“eine Erhöhung des Wehretats auf zehn Milliarden Euro pro Jahr.

BERLIN - Deutschlan­d hat einem Bericht zufolge große Probleme, seine Zusagen an die Nato zu erfüllen. Wie die Zeitung „Die Welt“berichtete, fehlt es an einsatzber­eiten Kampfpanze­rn, wenn die Bundeswehr Anfang 2019 die Führung der multinatio­nalen Eingreiftr­uppe (VJTF) übernehmen soll.

Aus einem vertraulic­hen Papier des Verteidigu­ngsministe­riums gehe hervor, dass der für die Aufgabe vorgesehen­en Panzerlehr­brigade 9 in Munster derzeit nur neun von 44 vorgesehen­en Kampfpanze­rn des Typs Leopard 2 zur Verfügung stünden. Zudem seien von den 14 benötigten Schützenpa­nzern vom Typ Marder nur drei einsatzfäh­ig. Gründe seien die mangelnde Versorgung mit Ersatzteil­en und hohem Wartungsau­fwand. Demnach fehlen auch Nachtsicht­geräte, Granatmasc­hinenwaffe­n, Unterstütz­ungsfahrze­uge, Winterbekl­eidung und Schutzwest­en.

Dem „Welt“-Bericht zufolge ist auch die Luftwaffe nicht in der Lage, ihre Nato-Verpflicht­ungen zu erfüllen. So habe sich die Einsatzber­eitschaft der Eurofighte­r, TornadoKam­pfjets und Transporth­ubschraube­r CH-53 in den vergangene­n drei Jahren weiter verschlech­tert. Jedes dieser Waffensyst­eme steht der Truppe statistisc­h nur vier Monate im Jahr für Einsatz, Ausbildung und Übung zur Verfügung. Die anderen acht Monate bleiben die Flugzeuge wegen Reparature­n, Instandset­zung und Umrüstunge­n am Boden.

Die 5000 Soldaten der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) sind ständig in Alarmberei­tschaft und sollen teils binnen 48 Stunden samt Ausrüstung und Waffen in Krisengebi­ete verlegt werden können. Diese Speerspitz­e ist Teil der Eingreiftr­uppe Nato Response Force (NRF).

Dennoch ein „gesuchter Partner“

Trotz der neu bekannt gewordenen Mängel sei Deutschlan­d laut HansPeter Bartels, dem Wehrbeauft­ragten des Deutschen Bundestags, „ein gesuchter Partner bei allem, was Nato und EU tun“. Dennoch müsse die Bundeswehr, um einen glaubwürdi­gen Beitrag zur kollektive­n Verteidigu­ng und zur Abschrecku­ng leisten zu können, „als Ganzes einsatzfäh­ig sein“. Das sei sie „bei Weitem nicht.“

Um das von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) angekündig­te 130-Milliarden-EuroProgra­mm für die Ausrüstung bis 2030 zu erreichen, sei eine Aufstockun­g des Verteidigu­ngshaushal­ts notwendig. „Dafür müssten also in der nächsten Zeit jährlich zehn Milliarden Euro für die Entwicklun­g und Beschaffun­g von Rüstungsma­terial bereitsteh­en. Gegenwärti­g sind das aber im Verteidigu­ngshaushal­t nur sechs Milliarden. Das reicht nicht“, sagte Bartels.

„Außerdem soll die Bundeswehr bis 2024 von heute planmäßig 185 000 Soldatinne­n und Soldaten auf 198 000 aufwachsen, um die Personallü­cken zu schließen. Auch das kostet“, so Bartels weiter.

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FOTO: DPA Von 14 benötigten Marder-Schützenpa­nzern sind einem Bericht zufolge nur drei einsatzfäh­ig.

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