Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bundeswehr fehlen einsatzbereite Panzer
Zugesagter Nato-Einsatz gefährdet – Brugger fordert „echte Reform im Beschaffungswesen“
RAVENSBURG/BERLIN - Vor der Münchner Sicherheitskonferenz kritisieren Verteidigungsexperten neue Mängel bei der Bundeswehr. Vor allem der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und Chef des Auswärtigen Ausschusses stellt der Sicherheitsund Verteidigungspolitik der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel ein miserables Zeugnis aus. So sei der Ausrüstungsstand der Bundeswehr wegen der vielen ausgefallenen Waffensysteme ein „Skandal“ und ein „staatlicher Offenbarungseid“, wie Röttgen der „Stuttgarter Zeitung“sagte.
Die Ravensburger Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger (Grüne) macht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für die Mängel verantwortlich. Die CDU-Politikerin müsse ihre „Show einstellen und sich stattdessen endlich um die konkreten Probleme der Bundeswehr kümmern“, sagte Brugger der „Schwäbischen Zeitung“. Um Ordnung ins „Rüstungschaos“zu bringen, seien eine „realistische und zukunftsfeste Personalplanung“sowie eine „ehrliche Debatte über sicherheitspolitische Prioritäten und eine echte Reform im Beschaffungswesen“nötig.
Der Aalener CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter schiebt die Schuld dem Koalitionspartner SPD zu. Bei einer Erhöhung des Wehretats male die SPD „das Schreckgespenst der Aufrüstung an die Wand“, sagte Kiesewetter der „Schwäbischen Zeitung“. Die vereinbarte Budgetsteigerung für die Bundeswehr im Koalitionsvertrag sei „ein nur sehr mageres Ergebnis“.
Ausgelöst hatte die Debatte ein Bericht der „Welt“. Nach Informationen der Zeitung mangelt es massiv an einsatzbereiten Kampfpanzern. Von 2019 an soll die Bundeswehr nach eigenen Angaben wieder eine führende Rolle in der sogenannten „Speerspitze“des Nato-Militärbündnisses für rasche Einsätze übernehmen. So stehen derzeit nur neun von 44 vorgesehenen Kampfpanzern des Typs Leopard 2 zur Verfügung.
Hans-Peter Bartels, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, fordert im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“eine Erhöhung des Wehretats auf zehn Milliarden Euro pro Jahr.
BERLIN - Deutschland hat einem Bericht zufolge große Probleme, seine Zusagen an die Nato zu erfüllen. Wie die Zeitung „Die Welt“berichtete, fehlt es an einsatzbereiten Kampfpanzern, wenn die Bundeswehr Anfang 2019 die Führung der multinationalen Eingreiftruppe (VJTF) übernehmen soll.
Aus einem vertraulichen Papier des Verteidigungsministeriums gehe hervor, dass der für die Aufgabe vorgesehenen Panzerlehrbrigade 9 in Munster derzeit nur neun von 44 vorgesehenen Kampfpanzern des Typs Leopard 2 zur Verfügung stünden. Zudem seien von den 14 benötigten Schützenpanzern vom Typ Marder nur drei einsatzfähig. Gründe seien die mangelnde Versorgung mit Ersatzteilen und hohem Wartungsaufwand. Demnach fehlen auch Nachtsichtgeräte, Granatmaschinenwaffen, Unterstützungsfahrzeuge, Winterbekleidung und Schutzwesten.
Dem „Welt“-Bericht zufolge ist auch die Luftwaffe nicht in der Lage, ihre Nato-Verpflichtungen zu erfüllen. So habe sich die Einsatzbereitschaft der Eurofighter, TornadoKampfjets und Transporthubschrauber CH-53 in den vergangenen drei Jahren weiter verschlechtert. Jedes dieser Waffensysteme steht der Truppe statistisch nur vier Monate im Jahr für Einsatz, Ausbildung und Übung zur Verfügung. Die anderen acht Monate bleiben die Flugzeuge wegen Reparaturen, Instandsetzung und Umrüstungen am Boden.
Die 5000 Soldaten der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) sind ständig in Alarmbereitschaft und sollen teils binnen 48 Stunden samt Ausrüstung und Waffen in Krisengebiete verlegt werden können. Diese Speerspitze ist Teil der Eingreiftruppe Nato Response Force (NRF).
Dennoch ein „gesuchter Partner“
Trotz der neu bekannt gewordenen Mängel sei Deutschland laut HansPeter Bartels, dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags, „ein gesuchter Partner bei allem, was Nato und EU tun“. Dennoch müsse die Bundeswehr, um einen glaubwürdigen Beitrag zur kollektiven Verteidigung und zur Abschreckung leisten zu können, „als Ganzes einsatzfähig sein“. Das sei sie „bei Weitem nicht.“
Um das von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigte 130-Milliarden-EuroProgramm für die Ausrüstung bis 2030 zu erreichen, sei eine Aufstockung des Verteidigungshaushalts notwendig. „Dafür müssten also in der nächsten Zeit jährlich zehn Milliarden Euro für die Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsmaterial bereitstehen. Gegenwärtig sind das aber im Verteidigungshaushalt nur sechs Milliarden. Das reicht nicht“, sagte Bartels.
„Außerdem soll die Bundeswehr bis 2024 von heute planmäßig 185 000 Soldatinnen und Soldaten auf 198 000 aufwachsen, um die Personallücken zu schließen. Auch das kostet“, so Bartels weiter.