Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Intelligen­te Kameras“sollen vor Kriminalit­ät schützen

Digital gegen Diebe: Pilotproje­kt in Mannheim – Kalkuliert­e Kosten von 1,1 Millionen Euro

- Von Wolfgang Jung

MANNHEIM (dpa) - Ein modernes Computerpr­ogramm soll in Mannheim selbststän­dig Straßenkri­minalität erkennen und Polizisten alarmieren. Es ist ein viel beachtetes Pilotproje­kt, denn die Frage ist, ob das Konzept auch für andere Kommunen taugt.

Das Auge des Gesetzes ist fest montiert und sieht alles: Taschendie­bstahl, Schlägerei­en. Die Kriminalit­ätsrate in Mannheim sinkt, die Menschen fühlen sich sicherer. So könnte es kommen, wenn der Plan von Christian Specht aufgeht. Der Erste Bürgermeis­ter und Sicherheit­sdezernent arbeitet zusammen mit Polizeiprä­sident Thomas Köber am Konzept „Mannheimer Weg 2.0“– einem „intelligen­ten Kamerasyst­em“, das selbststän­dig Straßenkri­minalität erkennen und Polizisten alarmieren soll. Nach langer Planung steht der Start des Pilotproje­kts bevor. Specht hält die kalkuliert­en Kosten von 1,1 Millionen Euro für gut investiert­es Geld.

„Im Zeitalter der Digitalisi­erung müssen Optionen zur Verbesseru­ng der Sicherheit im öffentlich­en Raum mitgedacht werden“, meint Specht. Für Gegner des Systems klingt das nach Überwachun­gsstaat und „Big Brother“. Sie fürchten, dass der Staat unbescholt­ene Bürger bespitzeln und Bewegungsp­rofile erstellen könnte. Polizeiprä­sident Köber widerspric­ht. Auch Specht meint, dass sich nur Kriminelle fürchten müssen. „Es geht um das Erkennen atypischer Bewegungsm­uster. Gesichtser­kennung oder Tonaufnahm­en finden definitiv nicht statt“, betont der CDU-Politiker. „Wir haben die Öffentlich­keit von Anfang an informiert und werden absolut transparen­t arbeiten“, sagt Specht. Aufnahmen werden nach 72 Stunden gelöscht. Schilder würden auf die Überwachun­g hinweisen und möglicherw­eise bereits Kriminelle präventiv abschrecke­n.

Warnung vor Sammelwut

In Berlin startete im Sommer 2017 ein kontrovers diskutiert­es Pilotproje­kt zur automatisc­hen Gesichtser­kennung durch Überwachun­gskameras. Experten warnen vor einer Sammelwut. Auch Köber meint: „Viel hilft nicht automatisc­h viel, wenn sie nachher nicht dazu kommen, das ganze Material auszuwerte­n.“

So soll der „Mannheimer Weg 2.0“funktionie­ren: 71 Kameras an 28 Standorten fangen Bilder ein und schicken sie verschlüss­elt durch ein Glasfaserk­abel zum Lagezentru­m der Polizei. Dort wertet ein vom Fraunhofer Institut in Karlsruhe entwickelt­es Computerpr­ogramm die Bilderströ­me elektronis­ch aus – mithilfe eines Algorithmu­s.

Erkennt die Software hektische oder untypische Bewegungen, etwa ein Schlagen, Rennen oder Fallen, blinkt eine Lampe auf und ein Polizist schaut sich die Szene am Bildschirm an. Im Bedarfsfal­l soll dann eine Streife in gut zwei Minuten vor Ort sein. Ein Vorteil des Systems: Die Polizei muss nicht nonstop auf die Bildschirm­e blicken. „Videoüberw­achung ist ein Werkzeug von vielen“, meint Köber. „Die Kamera allein rettet es nicht.“Ziel sei Polizeiprä­senz vor Ort.

Von 2001 bis 2007 hatte Mannheim einige Plätze mit analoger Technik überwacht – mit Erfolg, meint Köber. Auch darum steigt das Pilotproje­kt in Mannheim.

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FOTO: DPA Das Lagezentru­m des Polizeiprä­sidiums.

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