Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Polen fordert Landsleute zur Denunziati­on auf

- Von Gabriele Lesser, Warschau

Mit mulmigen Gefühlen erwarten die in Deutschlan­d lebenden Polen den Antrittsbe­such von Polens neuem Premiermin­ister Mateusz Morawiecki am heutigen Freitag in Berlin. Vor wenigen Tagen erhielten die rund zwei Millionen Auslandspo­len und Deutschpol­en in Deutschlan­d einen Aufruf zur Denunziati­on ihrer Mitbürger.

„Bitte dokumentie­ren Sie alle antipolnis­chen Äußerungen, Darstellun­gen und Meinungen, die uns schaden, und reagieren Sie darauf “, heißt es im Brief von Stanislaw Karczewski, dem Senatsvors­itzenden. „Informiere­n Sie unsere Botschafte­n, Konsulate und Honorarkon­sulate über jede Verleumdun­g, die den guten Ruf Polens beeinfluss­t.“Der Denunziati­onsaufruf wird weltweit an die im Ausland lebenden Polen verteilt. Hintergrun­d ist das „Gesetz zum Schutz des guten Rufes Polens“oder auch umgangsspr­achlich „polnisches HolocaustG­esetz“. Polens Präsident Andrzej Duda hatte es trotz heftiger internatio­naler Kritik vor einigen Tagen unterzeich­net. Angeblich soll es verhindern, dass ausländisc­he Journalist­en in Zukunft über „polnische Konzentrat­ionslager“schreiben, wenn sie eigentlich die Lager der Nationalso­zialisten im deutsch besetzten Polen zwischen 1939 und 1945 meinen.

Doch im Gesetz kommen die Wortkombin­ationen „polnisches KZ“oder „polnisches Vernichtun­gslager“gar nicht vor. Vielmehr heißt es dort: „Wer öffentlich und entgegen den Tatsachen dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwort­ung für die durch das Dritte Deutsche Reich begangenen Naziverbre­chen, (…) oder für andere Straftaten zuschreibt, die Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlich­keit oder Kriegsverb­rechen darstellen, (…) unterliegt einer Geldstrafe oder einer Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren.“Die gleiche Strafe droht demjenigen, der die „Verantwort­ung der tatsächlic­hen Täter der Verbrechen in grober Weise schmälert“.

Damit versucht die Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit, die seit Ende 2015 mit absoluter Mehrheit im Parlament regiert, den polnischen Bürgern einzureden, es gebe eine Journalist­en-Verschwöru­ng gegen Polen, um die eigentlich­en Opfer des Zweiten Weltkriegs zu Tätern zu machen. Das staatliche Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) mit seinen Tausenden Historiker­n und Staatsanwä­lten soll darüber entscheide­n, welche „historisch­en Tatsachen“richtig sind und dem Mythos des „polnischen Helden- und Märtyrer-Volkes“ dienen. Erzählt ein Zeitzeuge einem Journalist­en nun von polnischem Nazi-Kollaborat­euren beim Judenmord, von polnischen (Nach-)Kriegsverb­rechen, können beide verurteilt werden. Denn im Lichte des polnischen Unschuldsm­ythos sind dies keine überprüfba­ren Tatschen, sondern Lügen oder Geschichts­fälschunge­n. Die Auslandspo­len sollen nun fleißig Zeitung lesen, Vorträgen und Diskussion­en lauschen, und dann jeden ausländisc­hen „Verleumder“, der kritisch über Polen schreibt, bei polnischen Behörden, Konsulaten und Botschafte­n anschwärze­n.

Einen schlechter­en Dienst konnten Karczewski und Morawiecki den gut integriert­en Polen und Deutschpol­en nicht leisten. Doch der Keil, den die Denunziati­onsaufford­erung zwischen Polen und Deutsche treibt, ist von der nationalpo­pulistisch­en Regierung in Polen gewollt.

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