Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Polen fordert Landsleute zur Denunziation auf
Mit mulmigen Gefühlen erwarten die in Deutschland lebenden Polen den Antrittsbesuch von Polens neuem Premierminister Mateusz Morawiecki am heutigen Freitag in Berlin. Vor wenigen Tagen erhielten die rund zwei Millionen Auslandspolen und Deutschpolen in Deutschland einen Aufruf zur Denunziation ihrer Mitbürger.
„Bitte dokumentieren Sie alle antipolnischen Äußerungen, Darstellungen und Meinungen, die uns schaden, und reagieren Sie darauf “, heißt es im Brief von Stanislaw Karczewski, dem Senatsvorsitzenden. „Informieren Sie unsere Botschaften, Konsulate und Honorarkonsulate über jede Verleumdung, die den guten Ruf Polens beeinflusst.“Der Denunziationsaufruf wird weltweit an die im Ausland lebenden Polen verteilt. Hintergrund ist das „Gesetz zum Schutz des guten Rufes Polens“oder auch umgangssprachlich „polnisches HolocaustGesetz“. Polens Präsident Andrzej Duda hatte es trotz heftiger internationaler Kritik vor einigen Tagen unterzeichnet. Angeblich soll es verhindern, dass ausländische Journalisten in Zukunft über „polnische Konzentrationslager“schreiben, wenn sie eigentlich die Lager der Nationalsozialisten im deutsch besetzten Polen zwischen 1939 und 1945 meinen.
Doch im Gesetz kommen die Wortkombinationen „polnisches KZ“oder „polnisches Vernichtungslager“gar nicht vor. Vielmehr heißt es dort: „Wer öffentlich und entgegen den Tatsachen dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung für die durch das Dritte Deutsche Reich begangenen Naziverbrechen, (…) oder für andere Straftaten zuschreibt, die Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen darstellen, (…) unterliegt einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.“Die gleiche Strafe droht demjenigen, der die „Verantwortung der tatsächlichen Täter der Verbrechen in grober Weise schmälert“.
Damit versucht die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, die seit Ende 2015 mit absoluter Mehrheit im Parlament regiert, den polnischen Bürgern einzureden, es gebe eine Journalisten-Verschwörung gegen Polen, um die eigentlichen Opfer des Zweiten Weltkriegs zu Tätern zu machen. Das staatliche Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) mit seinen Tausenden Historikern und Staatsanwälten soll darüber entscheiden, welche „historischen Tatsachen“richtig sind und dem Mythos des „polnischen Helden- und Märtyrer-Volkes“ dienen. Erzählt ein Zeitzeuge einem Journalisten nun von polnischem Nazi-Kollaborateuren beim Judenmord, von polnischen (Nach-)Kriegsverbrechen, können beide verurteilt werden. Denn im Lichte des polnischen Unschuldsmythos sind dies keine überprüfbaren Tatschen, sondern Lügen oder Geschichtsfälschungen. Die Auslandspolen sollen nun fleißig Zeitung lesen, Vorträgen und Diskussionen lauschen, und dann jeden ausländischen „Verleumder“, der kritisch über Polen schreibt, bei polnischen Behörden, Konsulaten und Botschaften anschwärzen.
Einen schlechteren Dienst konnten Karczewski und Morawiecki den gut integrierten Polen und Deutschpolen nicht leisten. Doch der Keil, den die Denunziationsaufforderung zwischen Polen und Deutsche treibt, ist von der nationalpopulistischen Regierung in Polen gewollt.