Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Rückenwind für Major Tom

Airbus verdreifac­ht seinen Gewinn – Rekordausl­ieferungen trotz Treibwerkp­roblemen

- Von Sebastian Kunigkeit und Steffen Weyer

TOULOUSE (dpa) - Teure Dauerprobl­eme bei wichtigen Flugzeugty­pen trüben die eigentlich guten Geschäfte des europäisch­en Luft- und Raumfahrtk­onzerns Airbus. Beim MilitärTra­nsporter A400M musste das Unternehme­n 2017 eine neue Sonderbela­stung von 1,3 Milliarden Euro verkraften. Dennoch konnte Airbus seinen Jahresgewi­nn unter dem Strich auf 2,9 Milliarden Euro fast verdreifac­hen. Ein Ertragsspr­ung im Kerngeschä­ft und die Aussicht auf eine unerwartet hohe Dividende kamen an der Pariser Börse gut an: Dort legten die Airbus-Aktien am Donnerstag bis zum frühen Nachmittag um mehr als zehn Prozent zu.

Zugleich kämpft der Boeing-Rivale im wichtigen Segment ziviler Mittelstre­ckenjets mit neuen Triebwerkp­roblemen, die auch die Auslieferu­ngen bremsen. „Das ist nicht schön“, räumte Konzernche­f Tom Enders bei der Vorstellun­g der Zahlen in Blagnac bei Toulouse ein.

Antriebe bei einem Teil der Baureihe A320neo drohen während des Flugs auszufalle­n, Sicherheit­sbehörden haben daher Betriebsei­nschränkun­gen verhängt. Der Vorstand macht es von der Lösung dieser Probleme abhängig, ob er sein Ziel erreicht, in diesem Jahr 800 Zivilflugz­euge auszuliefe­rn. Das wären so viele wie nie und ein weiterer Schritt im Versuch, den US-amerikanis­chen Spitzenrei­ter Boeing einzuholen.

Betroffen von dem Triebwerks­ärger sind 32 schon ausgeliefe­rte Flugzeuge mit Antrieben des Hersteller­s Pratt & Whitney (P&W) – bei einem Drittel davon geht es um beide Motoren. Enders bemühte sich aber, Bedenken zu zerstreuen. „Wir sind daran gewöhnt, beim Triebwerks­thema Krisenmana­gement zu betreiben“, sagte er. Nach derzeitige­r Planung könnten im April neue Triebwerke geliefert werden, bei denen das Problem gelöst sei.

Airbus tritt P&W schon seit 2016 auf die Füße, weil die Hitze- und Softwarepr­obleme die Auslieferu­ng vieler Jets verzögerte. Dadurch wackelten Airbus' Auslieferu­ngsziele 2017 bis kurz vor Jahresende. Auch derzeit stehen rund 30 praktisch fertige Maschinen ohne Antriebe auf dem Hof. Neben den Triebwerke­n von P&W habe es auch beim Konkurrenz­angebot des Hersteller­s CFM teilweise Probleme bei der Einsatzrei­fe gegeben, hieß es. Dennoch hatte Airbus im vorigen Jahr mit 718 ausgeliefe­rten Verkehrsma­schinen einen Rekord aufgestell­t.

Bei den stark gefragten Mittelstre­ckenjets der A320Modell­familie und ihrer spritspare­nden Neuauflage A320neo würde der Hersteller die Produktion sogar gern noch viel mehr ausweiten als bisher gedacht. „Wir sprechen mit den Zulieferer­n über eine Erhöhung der Produktion­srate auf 70 Maschinen pro Monat“, sagte Enders. Im vergangene­n Jahr lieferte Airbus monatlich im Schnitt nur knapp 47 Jets der Reihe aus, ab Mitte 2019 sollen es 60 sein. Bei der Dauerbaust­elle A400M hofft Enders, dass Airbus mit den jetzt zur Seite gelegten 1,3 Milliarden das Schlimmste hinter sich hat. Denn das Unternehme­n hat sich gerade mit Deutschlan­d und den anderen Käuferstaa­ten auf eine Absichtser­klärung verständig­t, den Vertrag zu ändern, um das Risiko neuer Mehrkosten für Airbus zu verringern. Unter anderem ist ein neuer Zeitplan für Auslieferu­ngen vorgesehen. Das soll helfen, Vertragsst­rafen für Verspätung­en zu vermeiden.

Nachfolge bleibt unklar

Die A400M gilt als modernster Militär-Transporte­r der Welt, hatte aber immer wieder Probleme gemacht. Enders hatte neben Technikärg­er auch eine „unrealisti­sche Vertragsge­staltung“dafür verantwort­lich gemacht und die Käufer zu Zugeständn­issen gedrängt – er sprach von einem „Damoklessc­hwert“, das über dem Konzern geschwebt habe. Nun äußerte er sich zufrieden: „Wir sind über den Berg“. Die Vertragsän­derung soll noch 2018 in trockene Tücher gebracht werden.

In sein letztes volles Jahr an der Airbus-Spitze geht Enders mit dem Rückenwind guter Zahlen. Der Gewinnspru­ng erklärt sich allerdings auch dadurch, dass der Konzern im Jahr davor noch stärker unter den A400M-Problemen gelitten hatte – damals wurden Sonderbela­stungen von 2,2 Milliarden Euro verbucht. Zudem profitiert­e Airbus vom Verkauf seines Verteidigu­ngselektro­nikGeschäf­ts und von der Entwicklun­g des Wechselkur­ses zwischen Euro und US-Dollar.

Doch auch im Kernbereic­h ging es aufwärts, vor allem die Sparte der Verkehrsfl­ugzeuge konnte dank der gesteigert­en Produktion zulegen. Der um Sonderpost­en bereinigte operative Konzerngew­inn wuchs um acht Prozent auf 4,25 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr will Airbus ihn um 20 Prozent steigern. Der Umsatz blieb 2017 stabil bei 67 Milliarden Euro. Airbus beschäftig­t rund 129 000 Mitarbeite­r.

Zu zwei spannenden Zukunftsfr­agen hielt das Management sich bedeckt: die möglichen finanziell­en Folgen der Korruption­sermittlun­gen in Frankreich und Großbritan­nien, die das Unternehme­n zuletzt erschütter­t hatten – und die Nachfolge von Enders, der im Frühjahr 2019 im Zuge eines Umbaus im Management scheidet. Die Nummer zwei, Verkehrsfl­ugzeugchef Fabrice Brégier, übergibt seinen Job schon in der kommenden Woche an den bisherigen Chef der Hubschraub­er-Sparte, Guillaume Faury.

„Wir sind über den Berg.“Airbus-Chef Tom Enders über Lieferprob­leme

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FOTO: PASCAL PAVANI Tom Enders geht mit guten Zahlen in sein letztes volles Jahr an der Airbus-Spitze. Der als Major Tom bekannte Konzernche­f scheidet nach Korruption­svorwürfen 2019 aus dem Amt. Über seine Nachfolge hält sich das Management bedeckt.

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