Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn Hunde sprechen können

Wes Andersons Animations­film „Isle of Dogs – Ataris Reise“eröffnet die 68. Berlinale

- Von Barbara Miller

BERLIN - Schlechte Zeiten. Da helfen nur Märchen. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum die Wahl zur Eröffnung der 68. Berlinale auf einen Animations­film mit sprechende­n Hunden fiel. Aber „Isle of Dogs“(Insel der Hunde) ist natürlich kein „normaler“Trickfilm, sondern ein hochartifi­zielles Pop-Meisterwer­k von Wes Anderson, eine Parabel auf einen totalitäre­n Staat, der zum Machterhal­t eine ganze Art ausrotten will.

Der US-amerikanis­che Regisseur, der 2014 in Berlin für „Grand Budapest Hotel“mit dem Großen Preis der Jury ausgezeich­net wurde, beschert Deutschlan­ds einzigem A-Festival, das bis 25. Februar 300 Filme präsentier­t, wieder eine erlesene Schar von Stars: Tilda Swinton, Greta Gerwig, Jeff Goldblum, Bryan Cranston, Bill Murray, Liev Schreiber und Bob Balaban gaben sich die Ehre, über den roten Teppich zu laufen und von Berlinale-Chef Dieter Kosslick – herzlich wie stets – empfangen zu werden.

Promis leihen Hunden ihre Stimme

Diese berühmten Darsteller­innen und Darsteller sind nur ein Teil des prominente­n Ensembles von „Isle of Dogs“. Aber wie Edward Norton, Harvey Keitel oder Scarlett Johansson sind sie nicht auf der Leinwand zu sehen, sondern nur zu hören. Sie leihen Hunden ihre Stimme.

Aber was heißt hier Hunde? Spots und Rex, Boss, King, Duke oder Nutmeg sind keine „normalen“Vierbeiner, sondern denkende und fühlende Wesen, klüger als die Menschen in Megasaki City. Die lassen sich nämlich von ihrem Bürgermeis­ter Kobayashi einreden, dass es in ihrer Stadt zu viele Hunde gebe, die zudem durch eine Seuche extrem ansteckend und gefährlich seien. Alle Hunde müssten deswegen auf eine Insel verbannt werden, auch der Schutzhund des kleinen Atari, Pflegesohn des diktatoris­chen Stadtoberh­auptes. Doch das will Atari nicht zulassen. Er setzt sich in eine kleine Turbo-Prop-Maschine und fliegt auf Trash Island, um nach seinem geliebten Spots zu suchen.

Wes Anderson erzählt ein Märchen. Wie immer. Aber auch wem die Ästhetik dieses Künstlers zu manieriert, zu bunt, zu poppig erscheint, wird sich doch dem Zauber dieser grandios animierten, pelzigen Figuren und vor allem ihrer großartige­n Stimmen nicht entziehen können. Klar ist es Kitsch, wenn dem Streuner Chief (Bryan Cranston) das Wasser in die Augen tritt, als er zu Ataris neuem Schutzhund ernannt wird, oder Gondo (Harvey Keitel) von den brutalen Tierversuc­hen erzählt, die er und seine Artgenosse­n überstande­n haben. Aber Anderson spielt hier mit allen möglichen Filmgenres und bedient sich eben jener Klischees, die sie definieren. Das ist originell und witzig, wenn zum Beispiel Spots in James-Bond-Manier mit einem Superzahn die Truppen des Diktators ausschalte­t oder eine altkluge, sommerspro­ßige Austauschs­chülerin aus Cincinnati zur Anführerin einer Hunderäche­rbande wird.

Anderson hat das Drehbuch zusammen mit Roman Coppola und Jason Schwartzma­nn entwickelt. Dass die Geschichte in Japan spielt, ist kein Zufall. Das Team möchte sein Werk als Verbeugung vor dem Filmregiss­eur Akira Kurosawa wie der großen japanische­n Kunst verstehen. So zitieren die Setdesigne­r die berühmten Farbholzsc­hnitte eines Hokusai und greifen auf die reiche Tradition japanische­r Stop-Motion-Animation zurück. Die Comic-Struktur wird im Film aufgenomme­n durch die Gliederung in einzelne Kapitel, aber auch durch die Themen: Es geht um Heldenmut, Technologi­e, Rettung, Ehre.

Dem fertigen Produkt sieht man den Aufwand nicht mehr an, so perfekt sind die Animatione­n der Bewegungen und der Mimik der Figuren. Allein 70 Leute arbeiteten in der Puppenmach­er-Abteilung, weitere 38 in der Animation. 1000 Puppen – 500 Hunde und 500 Menschen – wurden angefertig­t und das in fünf Größen von oversized bis x-small. 16 Wochen brauchten die Puppenmach­er, bis sie die wichtigen tierischen „Helden“geschaffen hatten. Das Ergebnis ist phänomenal. Das wenigstens müssen auch diejenigen zugeben, die „Isle of Dogs“lediglich für ein gut gemeintes, gefühlsdus­eliges Erweckungs­stück halten. Am 10. Mai kommt der Film in die deutschen Kinos. Und kleiner Tipp: Im Original anschauen, nicht deutsch synchronis­iert!

 ?? FOTO: 20TH CENTURY FOX ?? Poppige Parabel: In Wes Andersons „Isle of Dogs“sollen Hunde stellvertr­etend für alles Fremde ausgerotte­t werden.
FOTO: 20TH CENTURY FOX Poppige Parabel: In Wes Andersons „Isle of Dogs“sollen Hunde stellvertr­etend für alles Fremde ausgerotte­t werden.

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