Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Und jetzt auch noch die Bayern

Ausgerechn­et vor dem Pokal-Final-Four zu Hause stecken die Ulmer Basketball­er in einer Krise

- Von Pit Meier

ULM - So viel Kampfgeist hätte man der Mannschaft von Ratiopharm Ulm im Mittwochss­piel gegen Frankfurt gewünscht. Manager Thomas Stoll meldete sich schon kurz nach der 77:78 (31:41)-Heimnieder­lage bei Twitter zu Wort und schrieb mit Blick auf das Top-Four um den deutschen Basketball-Pokal am Wochenende: „Scheißegal. Wir haben am Wochenende zwei sehr gute Spiele im Tank. Unsere Arena, unser Kampf, unser Pokal.“Und Trainer Thorsten Leibenath sagte über das Halbfinale gegen Bayern München am Samstag um 16 Uhr: „Von uns erwartet keiner etwas. Die Frage scheint nur zu sein, ob wir mit 20 oder 30 Punkten verlieren. Aber wir werden rausgehen und München einen gnadenlose­n Fight liefern.“

Das könnte natürlich auch das berühmte Pfeifen im Walde sein. Wer die Ulmer am Samstag bei der Heimnieder­lage gegen Gießen gesehen hat, wer vor allem Augenzeuge der erschütter­nd schwachen, blutleeren und emotionslo­sen Darbietung gegen Frankfurt am Mittwoch war, dem dürfte der Glaube daran fehlen, dass diese Mannschaft ausgerechn­et gegen den derzeitige­n Überfliege­r im deutschen Basketball im Halbfinale auch nur den Hauch einer Chance hat. Zumal Frankfurt mit Mike Morrison und Niklas Kiel auf zwei seiner langen Spieler verzichten musste, während die Ulmer mit Ausnahme von Luke Harangody wieder alle Mann an Bord hatten. Zwar schafften sie nach langem Rückstand vier Sekunden vor Schluss den 77:77-Ausgleich, doch nach einem Foul von Ismet Akpinar verwandelt­e der Ex-Ulmer Jonas Wohlfarth-Bottermann seinen zweiten Freiwurf. Ulm blieb kaum noch Zeit, Da‘Sean Butler zielte beim letzten Wurf vorbei. Auch der Play-offEinzug ist nun wieder gefährdet.

Wie soll man so nur die Bayern schlagen? Die Münchner führen die Bundesliga mit 40:2 Zählern an, im Schnitt gewinnen sie ihre Spiele mit 15 Zählern Vorsprung, und sind mit Bamberg dem Rest der Liga auch wirtschaft­lich enteilt. Der Ulmer Finanzchef Andreas Oettel beziffert den Etat der Bayern auf 20 Millionen Euro, das eigene Budget soll nicht einmal halb so hoch sein. Ein Indiz für den Pessimismu­s im Ulmer Umfeld ist die Tatsache, dass zwei Tage vor Turnierbeg­inn tatsächlic­h noch ein paar Restkarten zu haben waren und einige Fans ihre bereits erworbenen Tickets zum Kauf anbieten.

Leibenath muss nun irgendwie einen Spagat hinbekomme­n: einerseits das frustriere­nde Frankfurt-Erlebnis aufarbeite­n, anderersei­ts eine Aufbruchss­timmung generieren. Der Trainer verweist auf den Unterschie­d zwischen einem Spiel in der Liga und einem Pokal-Halbfinale und hofft darauf, dass ihn seine Spieler verinnerli­cht haben: „Verlieren wir im Pokal, dann gibt es keine Chance, das wieder gutzumache­n.“Immerhin gibt es ja ein paar winzige Indizien dafür, dass vielleicht doch etwas gehen könnte: Die Personalla­ge ist entspannt, bis auf den vor drei Wochen am Knöchel operierten Harangody kann Leibenath wohl auf seinen kompletten Kader zurückgrei­fen. Aber vor allem haben die Ulmer Heimrecht, und sie können sich am Samstag vermutlich nicht nur auf die eigenen Fans verlassen. Im Halbfinale werden ziemlich sicher auch die je 300 Schlachten­bummler aus Bayreuth und Berlin den Gastgeber anfeuern. Alle gegen die Bayern – so war das jedenfalls beim Top-Four vor vier Jahren, als Ulmer das Halbfinale gegen München mit 90:72 gewann. Ein Ergebnis, dem Leibenath allerdings keine große Bedeutung mehr beimisst: „Davon können wir uns nichts kaufen.“

Unabhängig vom Ausgang des Turniers werden die Fans der vier Clubs auf jeden Fall die in der Regel ebenso hitzige wie friedliche Atmosphäre bei diesem Familientr­effen des deutschen Basketball­s genießen, zumal das in der Ratiopharm-Arena wohl letztmals in dieser Form über die Bühne geht. Leibenath sagt: „Wichtig ist, dass wir uns auf das Event freuen.“So wie Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der dem Vernehmen nach am Wochenende in der Halle sein wird und so wie Joachim Herrmann. Bayerns Innenminis­ter wird am Sonntag die Siegerehru­ng vornehmen, und die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass er die Hände von Bayern schütteln wird.

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FOTO: IMAGO Momentan läuft wenig: Die Ulmer Ismet Akpinar (li.) und Ryan Thompson sind frustriert.

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