Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Von „Schwäbisch Sibirien“bis zu „kackbeigen Pullovern“
Gunter Haug stellt sein Buch „Ohne Worte – wie ich den Froschkönig besiegte“in Heroldstatter Gemeindebücherei vor
HEROLDSTATT (sz) - Auf Einladung der Gemeindebücherei und des Landfrauenvereins Heroldstatt war Bestsellerautor Gunter Haug am Donnerstag zu einem Lese- und Erzählabend gekommen. Seit über zehn Jahren gehört er zu den Autoren, die einen festen Platz im Kulturprogramm der Gemeindebücherei haben. Der Titel des Buches allein machte schon neugierig. Zumal der Autor bekanntermaßen alles andere als sprachlos und um Worte verlegen ist. 35 Zuhörer waren gekommen.
Nach der Begrüßung durch Büchereileiterin Lucia Knehr ließ Gunter Haug gleich vorneweg wissen, dass man es seiner Mutter zu verdanken habe, dass er mit diesem Buch jetzt hier sitze. „Sie wollte das Buch unbedingt!“Nach langer Überlegung habe er dann sämtliche Bedenken verdrängt und sich ans Schreiben gemacht – Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen, aus seinem Leben zu berichten. Beschwerden sollten deshalb bitte an seine Mutter gerichtet werden.
„Kauft wird nix“
Dann nahm er das Publikum mit auf eine Zeitreise 62 Jahre zurück. Eigentlich hätte sich sein Vater auf eine Tochter gefreut (alles in der Schwangerschaft deutete doch auf ein Mädchen), aber es wurde „nur“ein Knabe, der im August 1955 in Bad-Cannstatt das Licht der Welt erblickte. Tja, damit mussten sie jetzt leben. Vielleicht, so meinte Haug, war das der Grund, weshalb das Verhältnis zwischen Vater und Sohn in der Kindheit, und vor allem in der Pubertät nicht unbedingt immer als „spannungsfrei“zu bezeichnen war. Als „Rache“, dass er kein Mädchen war, empfand es Haug deshalb, dass ihn seine Oma an Fasching als Rotkäppchen verkleiden wollte und zwar mit einem selbst gehäkelten Kleid („kauft wird nix, des ka ma älles selbr macha“), auf den Kopf gab es einen Plastikblumentopf, der mit einem alten roten Geschenkband von Weihnachten unterm Kinn festgeknotet wurde. Aber, so ließ Haug wissen: Immer just an Fasching sei er krank gewesen, lag mit Mumps, Masern, Scharlach oder Fieber im Bett. So sei er um den peinlichen Auftritt herum gekommen – er wäre ja ohnehin nur das Gespött auf der „Gass“gewesen.
Die Erklärung, was es mit dem Froschkönig auf sich hatte, ließ nicht lange auf sich warten: Der kleine Gunter wurde im Kindergarten dazu auserkoren, die Hauptrolle des Froschkönigs zu spielen und musste eigentlich nur zur richtigen Zeit ein einziges Wort sagen: „Quak“; das er aber aus lauter Schreck darüber, dass ihm gefühlte 1000 Augen zusahen (worauf er nie vorbereitet wurde, weil es bei den Proben ja kein Publikum gab), nicht über die Lippen kam – und er somit seine Chance auf eine Schauspielkarriere verwirkt hatte.
Hinter den sieben Bergen
Haug erzählte vom „Sparen bis zum Abwinken“, vom „Alptraum Rothenburg ob der Tauber“, wohin es ab und zu mit dem VW Käfer mit der Sitzbank auf der Hinterachse zur buckligen Verwandtschaft seiner Mutter ging, und er dann regelmäßig in sein Anzügle mit dem „kackbeigen Pullover“gesteckt wurde, der kratzte und er sich darin alles andere als wohl gefühlt hatte. Regelmäßig „kotzte“er seinem Vater ins Auto, weil die Fahrt einer Achterbahn glich. Weitere Episoden an erfreulichen und weniger erfreulichen Begebenheiten weckten Erinnerungen an Bierstängel, Musikbox, eisige und schneereiche Winter, Probleme des Erwachsenwerdens und an seine beruflichen Laufbahn.
Haug ist ein begnadeter Erzähler und er unterbrach seine Lesung immer wieder, um das Gelesene spannender und amüsanter mit frei erzählten Geschichten und Begebenheiten zu unterlegen. Von Untertürkheim kam er mit acht Jahren nach Gomadingen („Schwäbisch Sibirien“) und in seinen Kindheitserinnerungen präsentiert sich die Schwäbische Alb nur als öder Landstrich irgendwo hinter den sieben Bergen, wo es laut den Stuttgartern neun Monate lang Winter und drei Monate kalt ist.
„Käpsele“in der Schule
Insgesamt aber war sei Entscheidung seiner Eltern, auf die Alb zu ziehen, eine gute gewesen. Eine schöne Kindheit hatte er, er sei ein „Käpsele“in der Schule gewesen. Eine Streikaktion der SMV im Münsinger Gymnasium lockte einst das Fernsehen an – und diese Aktion wurde für Haug zum Türöffner für seine spätere journalistische Laufbahn. Nach dem Abitur in Münsingen schloss sich nach dem Zivildienst ein vierjähriges Studium der Geschichte und empirischen Kulturwissenschaften in Tübingen an; nebenbei verdiente er als Mitarbeiter des Südwestfunks „ein gutes Taschengeld“. In Tübingen verbrachte er dann eine längere Zeit als Rundfunkredakteur. Haug kletterte die Karriereleiter hoch bis zum Fernsehnachrichtenchef von SDR und SWF. Nach einem zwar gut bezahlten, aber aufreibenden Job als Fernsehredakteur in Stuttgart wurde Schwaigern bei Heilbronn das Domizil des erfolgreichen Autors. Was es mit seiner Kündigung bei einem Fernsehdreh in einer Tropfsteinhöhle und mit vielen weiteren Begebenheiten aus seinem turbulenten Leben zwischen Wickelsgreuth und Schwäbisch Sibirien auf sich hatte, kann der Leser erfahren, wenn er dessen 383 Seiten starkes Buch liest.
Zum Schluss bedankte sich die Vorsitzende des Landfrauenvereins Margret Schrems-Kiefer bei Gunter Haug für die kurzweiligen, amüsanten und ereignisreichen Erzählungen aus seinem Leben und lud die Gäste zu einem gemütlichen Austausch mit einem Glas Wein und Leckereien aus der Landfrauenküche ein.