Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Ich konnte immer voran gehen“

Torhüter-Denkmal Holger Betz spricht über seine lange Zeit bei den Ulmer Spatzen

- INTERVIEW: PIT MEIER

Sie sind seit 24 Jahren beim SSV Ulm 1846 Fußball, sie gehören seit 20 Jahren zum Kader der ersten Mannschaft und im Sommer hören Sie auf. Warum gerade jetzt, Herr Betz?

Betz: Einfach deswegen, weil ich es so beschlosse­n habe. Ich werde im Mai 40 Jahre alt und bin also nicht mehr der Jüngste. Manche meiner Mitspieler könnten meine Söhne sein. Mir geht es gesundheit­lich gut und ich bin fit, aber irgendwann muss man sich Gedanken machen. Ich kann ja gerne mal schildern, wie beispielsw­eise der vergangene Mittwoch verlaufen ist: Ich gehe um 6.30 Uhr aus dem Haus, ich arbeite von 7 Uhr bis 16.30 Uhr als kaufmännis­cher Leiter des Hans-LorenserSp­ortzentrum­s, der sich auch um vier Auszubilde­nde kümmern muss. Anschließe­nd fahre ich zum Testspiel nach Göppingen und komme gegen 22.30 Uhr nach Hause. Meine zwei Kinder habe ich praktisch nicht gesehen. Das war an diesem einen Tag kein Problem, aber auf Dauer spürt man den Druck.

Ist Ihnen dennoch die Entscheidu­ng schwer gefallen, Ihre Karriere im Sommer zu beenden?

Betz: Fragen Sie mich das jetzt im Ernst? Ich bin als Jugendlich­er im Alter von 16 Jahren vom SV Tiefenbach nach Ulm gekommen und habe seitdem für diesen Verein gespielt. Natürlich ist mir die Entscheidu­ng schwer gefallen. Ich habe sie sicher auch nicht an einem Nachmittag getroffen und ich weiß nicht mit Bestimmthe­it, ob ich den absolut richtigen Zeitpunkt gewählt habe. Aber ich habe sie nun einmal so getroffen.

Sie bleiben dem Verein ja als Torwart-Trainer erhalten. Musste die Vorstandsc­haft Sie dazu überreden?

Betz: Ich musste zumindest davon überzeugt werden. Es gab ja mehrere Optionen. Beispielsw­eise die, erst mal ein oder zwei Jahre gar nichts zu machen. Ich hätte auch als eine Art Standby-Torwart weiter machen können, aber das kam für mich nicht in Frage. Auf einmal verletzen sich die anderen Torhüter, man muss plötzlich rein, kriegt die Bälle um die Ohren geschossen und muss sich auslachen lassen. Torwart ist man entweder zu 100 Prozent oder zu null. Ich habe die Null gewählt, aus der Nummer als Spieler bin ich raus. Das Amt als Torwart-Trainer habe ich übernommen, weil ich in vielen Gesprächen mit dem Verein gespürt habe, dass mir große Wertschätz­ung entgegen gebracht wird.

Aber noch ist ja nicht ganz Schluss. Wie gehen Sie den Rest dieser Saison an?

Betz: So wie ich den Anfang dieser Saison angegangen bin. Für uns geht es darum, möglichst schnell die Punkte für den Klassenerh­alt zu holen und unser Trainer Tobias Flitsch hat ja gesagt, dass er bis zum Sommer auf mich baut. Ganz ehrlich: Damit hatte ich nicht gerechnet.

Was war Ihre schönste Zeit im Verein?

Betz: Ich habe einfach insgesamt eine geile Zeit in Ulm gehabt und ich habe sie noch. Die Höhepunkte kennt jeder: Aufstieg und ein Jahr in der Bundesliga. Aber es gab auch die schwierige­n Zeiten mit Insolvenze­n und Wettskanda­len. Ich konnte auch die genießen und ich hatte immer meinen Spaß. Fußball ohne Spaß geht sowieso nicht. Ich hatte mir persönlich nie etwas vorzuwerfe­n und ich konnte immer mit erhobenem Haupt vornan gehen.

Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt und beeindruck­t?

Betz: Kann ich so nicht sagen, ich kam mit allen gut klar. Mit Ralf Rangnick, mit Martin Andermatt, mit Markus Gisdol und mit Marcus Sorg. Das sind natürlich unterschie­dliche Menschen und unterschie­dliche Charaktere, aber sie haben alle ihre klaren Vorstellun­gen und Philosophi­en. Ein eigenwilli­ger und unheimlich cooler Typ ist natürlich Hermann Gerland.

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FOTO: HORST HÖRGER Bis zum Sommer wird der „ewige“Holger Betz (grünes Trikot) die Ulmer Mannschaft noch auf den Rasen des Donaustadi­ons führen. Dann ist seine lange Karriere unwiderruf­lich vorbei.

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