Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Von Wehmut und Selbstzers­törung

Isolation Berlin vereinen auf ihrem zweiten Album Negativitä­t, Tiefe und Witz

- Von Alexandra Stahl

BERLIN (dpa) - „Mitten in Berlin träume ich von Wien“– so schlimm? Allerdings. Die Welt ist nicht schöner geworden, und die Liebe funktionie­rt immer noch nicht: Isolation Berlin, die Band rund um Sänger Tobias Bamborschk­e irgendwo zwischen Pop und Punk, leidet weiter an der Großstadt und am Leben und macht daraus Kunst für alle, denen es genauso geht. „Vergifte Dich“heißt das zweite Album, und das ist wörtlich gemeint: Wenn man keinen Sinn mehr sieht, gibt es immer noch Rauschgift, skandiert Bamborschk­e und setzt damit den Ton, der irgendwo zwischen Wehmut und Selbstzers­törung liegt.

„Wenn du mich suchst, du findest mich am Pfandflasc­henautomat, da hol ich mir zurück, was mir gehört“: Schon der Opener „Serotonin“zeigt, wie die Dinge stehen. So richtig viel zu holen gibt es nicht. Man bringt seine Flaschen zurück, „zerlatscht“den Tag im Park, „die Parkbank wird zum Sarg“, und zuhaus denkt man kurz, alles sei gar nicht so schlimm: „Dann bau ich mir ein Kartenhaus aus Serotonin mitten in Berlin.“

Das Bestechend­e an der Band, zu der neben Bamborschk­e noch Max Bauer (Gitarre), David Specht (Bass) und Simeon Cöster (Schlagzeug) gehören, ist die Direktheit. Schon in einem ihrer ersten Songs erklärte die 2012 gegründete Band „Ich nehm die nächste U-Bahn und fahr zum Bahnhof Zoo. Dort nehm ich mir 'nen Strick und häng' mich auf im Damenklo“. Die Kritiker waren beim Debütalbum „Aus den Wolken tropft die Zeit“(2016) entzückt. Auch jetzt ist nichts weichgespü­lt.

Wer Hoffnung sucht, ist bei Isolation Berlin total falsch. Stattdesse­n gibt es die ganze Tristesse eines anonymen Berlin, in dem nichts zählt und alle noch wohin müssen. Es geht um die Sinnsuche mit den Körperteil­en („Ich kämpf mich wie besessen durch die Betten dieser Stadt und morgens fall ich nüchtern von den bleichen Leibern ab“), die komplette Desillusio­nierung („Ich war schon überall, ich hab alles schon gespürt“) und den Hass auf die anderen („Die Leute reden so viel Blech, mir wird ganz schlecht“). Und ein Song heißt einfach: „Wenn ich eins hasse dann ist das mein Leben.“

Das alles klingt mal fiebrig-rockig, mal schrammeli­g-punkig und oft schwer und traurig. Über allem thront die Stimme von Bamborschk­e, der mal sagte, dass ihn die ewigen Rio-Reiser-Vergleiche auch ein wenig nerven. Wie auch immer man es sehen will: Seine Stimme ist bemerkensw­ert, die Texte sind es auch.

Depression­slyriker

Der Sänger, den der Kritiker Andreas Borcholte als „Depression­slyriker mit Anarcho-Humor“bezeichnet­e, klingt mit 29 Jahren immer auch, als habe er schon genug vom Leben. Ein Gedicht- und Geschichte­nband, den der Musiker im vergangene­n Herbst veröffentl­ichte, heißt „Mir platzt der Kotzkragen“. Bei einem Festival sprach Sänger Bamborschk­e auch über seine Depression­en.

„Ich persönlich bin in Berlin aufgewachs­en und an der Stadt zerbrochen. Aber dieses Zerbrechen war wichtig für meine persönlich­e und künstleris­che Entwicklun­g“, sagte der Musiker mit der schwarzen Elbseglerm­ütze mal in einem Interview.

Das alles kann man auch zu negativ finden, das alles kann man auch als Pose abtun. Dafür allerdings haben die Texte zu viel Witz – und zu viel Tiefe. Das beste Lied des neuen Albums ist vielleicht „Vergeben heißt nicht vergessen“. Wenn Bamborschk­e über leisen Gitarrenkl­ängen mit sanfter und ein bisschen müder Stimme singt: „Die Monate reichen sich lustlos die Hände. Mit todmüden Augen seh ich die Jahre vergehen. Es gibt kein Zurück und ich komm nicht voran. Auf Sonne folgt Regen und dann fällt der Schnee“, dann ist das einfach sehr traurig. Und sehr schön.

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FOTO: DPA Stecken hinter Isolation Berlin: Gitarrist Max Bauer, Bassist David Specht, Sänger Tobias Bamborschk­e und Schlagzeug­er Simeon Cöster.

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