Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Weniger Unfälle, aber mehr Unvernunft
Polizeipräsidium Ulm blickt mit Sorge auf Unfallflüchtige, Pedelec-Fahrer und Handynutzer
ULM (mö/heo) - Eigentlich ist die Verkehrsunfall-Bilanz des Polizeipräsidiums Ulm für 2017 erfreulich: weniger Verkehrstote, weniger Verletzte. Im Zehn-Jahres-Vergleich sank die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss um ein Drittel von 530 Unfällen im Jahr 2007 auf 365 im Jahr 2017. Gleichzeitig gibt es bedenkliche Entwicklungen: beispielsweise mehr Unfallfluchten, mehr Unfälle mit Pedelecs, mehr Unfälle, die sich wahrscheinlich auf die Handynutzung am Steuer zurückführen lassen.
Ein Blick auf die zunehmenden Fälle von Unfallflucht: Die Zahl stieg von 2016 auf 2017 um 255 auf 5099 Fälle, also um fünf Prozent. Mittlerweile flüchtet damit jeder Fünfte nach einem Unfall. In einer „rundum versicherten Welt“findet das Manfred Bayer, der Leiter der Verkehrspolizeidirektion, völlig unverständlich. Statt eine Ordnungswidrigkeit mit der Versicherung abzuklären, bewege sich der Unfallflüchtige im Bereich des Strafgesetzbuchs und riskiere eine Anzeige, Geld- oder Freiheitsstrafe und den Führerscheinentzug. Die Polizei habe die Zahl der aufgeklärten Fälle gesteigert und so ihre Aufklärungsquote bei einem Drittel der Fälle (33 Prozent) gehalten. Höher noch sei die Aufklärungsquote bei Unfällen, bei denen Menschen verunglückten. Fast die Hälfte dieser Fälle (48 Prozent) klärten die Ermittler auf.
Mit Sorgen beobachtet die Polizei eine Steigerung der an Unfällen beteiligten Pedelec-Fahrer: Zuletzt stieg die Zahl von 72 auf 86, das entspricht einem Plus von 14 Prozent. Bayer: „Diese Steigerung scheint am ehesten darauf zurückzuführen zu sein, dass die Zahl der Pedelecs derzeit noch immer stark steigt.“Aufgrund der deutlich höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten dieser Fahrzeuge mit Elektrounterstützung haben sie nach Einschätzung der Polizei aber auch ein höheres Risikopotenzial. So erfordern höhere Geschwindigkeiten ein anderes, angepasstes Fahrverhalten: mehr Vorausschau und Konzentration sowie zeitigeres Bremsen. Bayer weiß: „Pedelec-Fahrer brauchen vor allem einen Helm.“Mehr als die Hälfte der Pedelec-Fahrer (46 Fahrer, 54 Prozent) habe die Unfälle selbst verursacht.
Wenig Vernunft zeigt sich auch bei der unerlaubten Handynutzung im Verkehr: 4719 Anzeigen musste die Polizei deshalb im Jahr 2017 fertigen, 1083 mehr als im Vorjahr (plus 30 Prozent). „Das erschreckt uns deshalb, weil trotz höherem Bußgeld und verstärkter Aufklärung immer noch keine Verhaltensänderung festzustellen ist“, so Bayer weiter. Denn die Nutzung des Handys lässt sich nach Unfällen als Ursache zwar selten belegen, bei der Betrachtung der Ursachen der tödlichen Unfälle fällt aber eines auf: Bei neun der 36 tödlichen Unfälle (25 Prozent) kam der Unfallverursacher aus unbekannten Gründen auf die Fahrspur des Gegenverkehrs. Gerade das deutet auf „Ablenkung“als Unfallursache hin – sei es durch Handy, Radio oder Navi.
Wenn sich dies bestätigen ließe, wären nach Einschätzung der Polizei die Hälfte der tödlich verlaufenen Verkehrsunfälle auf zu schnelles Fahren und Ablenkung zurückzuführen. „Deshalb sehen wir uns auf dem richtigen Weg, wenn wir diese Kontrollen weiter intensivieren“, kündigt Bayer an.
Mehr Kontrollen, weniger Unfälle
Mit dem Weg schärferer Kontrollen habe man Erfolg, hieß es am Montag im Ulmer Präsidium: Mit 41 Verkehrstoten verlief 2017 bei diesem Aspekt vergleichsweise glimpflich. 2016 kamen 47 Menschen im Schutzbereich des Ulmer Polizeipräsidiums bei Unfällen ums Leben.
Diese positive Entwicklung der Unfallzahlen für Ulm, die Landkreise Alb-Donau, Biberach, Göppingen und Heidenheim sowie die Stadt Ulm zieht sich nahezu durch die ganze Statistik. Die Zahl der bei Unfällen Verletzten war in den beiden Vorjahren angestiegen. Nun verzeichnet die Statistik einen Rückgang um 65 Personen von 3949 auf 3884 Personen.
Gleichzeitig reduzierte sich die Zahl der Verkehrsunfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen, um 19 Unfälle auf 2904 Unfälle. Das ist aus Sicht von Bayer umso erfreulicher, weil die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um 1296 Unfälle auf 23 816 anstieg, eine Zunahme um sechs Prozent. Bayer erklärt sich die Zunahme kleinerer Schäden auch durch die vielen Baustellen, dadurch käme es öfter zu Auffahrunfällen.