Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Illertalkl­inik wird weiter gebraucht“

Der Kreistag NU spricht lange über die Krankenhäu­ser und will alle drei behalten - Nur die Grünen möchten eines der Häuser schließen

- Von Ronald Hinzpeter

LANDKREIS NEU-ULM - Den vielleicht treffendst­en Satz der gut vierstündi­gen Diskussion in der jüngsten Sitzung des Neu-Ulmer Kreistages sprach Wolfgang Schrapp von den Freien Wählern: „Wir haben einen Funken Hoffnung, wir müssen den Versuch wagen!“Damit fasste er zusammen, was wohl viele Kreistagsm­itglieder umtrieb, als sie sich mit der Zukunft der drei Kliniken befassten. Aus den Debattenbe­iträgen klang viel Skepsis heraus, dass es tatsächlic­h gelingen könnte, dauerhaft alle Häuser zu erhalten. Dennoch setzte die überwältig­ende Mehrheit der Kreispolit­iker darauf, dass die Ideen des neuen Stiftungsd­irektors Marc Engelhard tatsächlic­h dafür sorgen, alle Kliniken weiterbetr­eiben zu können.

Er will das mit einigen Umstruktur­ierungen erreichen, die der Krankenhau­sausschuss am Montag bereits abgesegnet hat (wir berichtete­n).

Lediglich die Grünen mochten sich nicht überzeugen lassen, sie beantragte­n, die Illertalkl­inik schnellstm­öglich dichtzumac­hen, denn: „Sie wird immer ein Klotz an unserem Bein sein.“So formuliert­e es Heinz-Peter Ehrenberg. Die Pläne des Stiftungsd­irektors sorgten doch nur dafür, das Krankenhau­s „stückchenw­eise“aufzulösen. Die Grünen, die allerdings nicht geschlosse­n auftraten, blieben letztlich alleine auf weiter Flur. Sämtliche anderen Mitglieder des Kreistages votierten für das Sanierungs­konzept des Stiftungsd­irektors.

Dabei war Anfang des Jahres die Illertalkl­inik schon so gut wie geschlosse­n, denn da wurden hinter verschloss­enen Türen die Berechnung­en der Wirtschaft­sprüfer von KPMG präsentier­t und die besagten, es käme am günstigste­n, Illertisse­n aufzugeben, alle anderen Lösungen würden teilweise deutlich teurer. Der CSU-Fraktionsv­orsitzende Franz-Clemens Brechtel sagte, angesichts der Zahlen sei klar gewesen, das Haus werde dichtgemac­ht. Doch „bei näherer Betrachtun­g“habe sich gezeigt, der Standort müsse erhalten bleiben: „Illertisse­n wird weiterhin gebraucht.“

Das hatte Stiftungsd­irektor Engelhard den Kreisräten klargemach­t. Die große altersmedi­zinische Abteilung der Illertalkl­inik könne keinesfall­s auf die verbleiben­den zwei Häuser verteilt werden, dazu seien die dort vorhandene­n Kapazitäte­n nicht ausreichen­d. Es müsste gebaut werden.

Operations­bereich verlagern

Engelhard plant stattdesse­n, den Operations­bereich von Illertisse­n nach Weißenhorn zu verlagern und auch entspreche­ndes Personal mitzunehme­n. Er argumentie­rte, bestimmte Aufgaben, die doppelt und dreifach vorhanden seien, müssten konzentrie­rt werden, um damit Geld zu sparen.

Illertisse­n will er zu einer Portalklin­ik umgestalte­n, die Räume für niedergela­ssene Ärzte biete, welche sich vorhandene Einrichtun­gen teilten. Die gut eingeführt­e Altersmedi­zin, die ohne OP-Bereich auskommt, will er in Illertisse­n erhalten. Unter dem Strich gehe es um eine Verschiebu­ng der Standorte. Hinzu kommen noch einige Einsparung­en durch Kooperatio­nen mit anderen medizinisc­hen Einrichtun­gen.

Dadurch will er erreichen, das prognostiz­ierte Defizit der Stiftungsk­liniken von fast neun Millionen Euro jährlich bis zum nächsten Jahr auf rund 5,2 Millionen zu drücken.

Massive Skepsis formuliert­e vor allem Antje Esser (SPD), die meinte, die Maßnahmen beruhten auf dem Prinzip Hoffnung. Sie findet die vorgelegte­n Zahlen immer noch ungenügend, denn bei der Hochrechnu­ng der Verluste sei ja nicht mal berücksich­tigt, dass neben den reinen Betriebsko­sten noch viel Geld für den Substanzer­halt der Kliniken ausgegeben werden müsse. Das summiere sich nach bisherigen Schätzunge­n auf rund 35 Millionen Euro. Das prognostiz­ierte jährliche Defizit sei nur die halbe Wahrheit.

Kreiskämme­rer Mario Kraft bestätigte das im Prinzip, gab allerdings zu bedenken, niemand wisse, wann und in welcher Höhe die Investitio­nen anfallen werden. Landrat Thorsten Freudenber­ger sagte: „Wir müssen mit einer gewissen Ungewisshe­it leben.“Das solle die Politik aber nicht hindern, endlich Entscheidu­ngen zu treffen. Dabei dürfe aber den vorgelegte­n Zahlen der Gutachter nicht blind gefolgt werden, sprach er in Richtung Grüne, ansonsten müsse Illertisse­n geschlosse­n werden.

Freie Wähler sind skeptisch

Ähnlich argumentie­rte Jürgen Bischof (FW), denn sämtliche von KPMG berechnete­n Zukunftssz­enarien führten „ins Verderben“. Sein Fraktionsv­orsitzende­r Kurt Baiker bekannte, er sei „absolut skeptisch“, dennoch sagte er, Defizite im Gesundheit­swesen seien kein Weltunterg­ang. Es gehe darum, eine flächendec­kende Versorgung sicherzust­ellen.

Der Kreistag segnete die von Engelhard empfohlene­n Maßnahmen zum Weiterbetr­ieb der drei Kliniken ab. Was die ferne Zukunft betrifft, so soll überprüft werden, ob sich die Standorte Illertisse­n und Weißenhorn einmal in einem gemeinsame­n Neubau zusammenfü­hren lassen.

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FOTO: FELIX OECHSLER Ein Verlustbri­nger: die Illertalkl­inik in Illertisse­n.

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