Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Schwarz, hartschalig, störrisch
Heimflug – was für ein gewaltiges, berauschendes Wort. He-i-m-f-l-u-g. Dienstag um 12.30 Uhr ist es so weit; die Vorbereitungen laufen auf höchsten Touren. Wiegt Schmutzwäsche eigentlich mehr als frisch Gebügeltes? Heimflug, wie viele Mitbringsel für die Lieben verträgt das Handgepäck? Der praktische Teil der Übung ist schwarz, hartschalig und ein treu ergebener Koffer, der nur ein Problem hat alle Reisen wieder: Groß ist nie und nirgends groß genug. Werden uns gegen Abend mal mit ihm zusammen-, nein, auf ihn draufsetzen, jetzt ist halb zwölf, und um halb zwölf gibt’s Frühstück.
Spätstück eigentlich – was kein Fehler ist, wenn nächtens Eishockeytore, nachgeträumte, den Schlaf rauben. Die „Main Dining Hall“im Mediendorf zu Gangneung strahlt eine geräumige Leere aus an Tag eins nach den Spielen. Wo sonst Gewusel, Gemetzel (bei Müsli, Joghurt, Ananas), Gelage war (was manche Menschen morgens um acht essen können!), entfaltet sich jetzt der ganze Charme der vorübergehend zweckentfremdeten Tiefgarage. Betischt, bestuhlt zwar, die Säulen aber so markant im Wege stehend, dass alle Blechschäden der Jugend einem wieder einfallen. Darauf einen Zweitkaffee. Dass der auch schon einmal stärker war? ’s geht dagega!
Der Dame im Aufzug ist das egal, ewig gleich klingt ihre Stimme aus dem Lautsprecher. Ob morgens um neun, ob nachts um halb vier, ob Wettkampftag drei oder Schlussfeierabend: „Erste Etage“, „bitte drücken“, „Tür schließt“, „neunte Etage“– das etwa muss bedeuten, was unser Schulkoreanisch uns nie gelehrt hat. Die Stimme reist mit, hat sich eingefressen im Hinterkopf. Wir werden ihr im heimischen Treppenhaus wieder begegnen – wetten? „Unterste Stufe“, „Achtung, Absatz“, „Kehrwoch’!“
Apropos: Gekehrt wird hier zweitägig. „Housekeeping“nennt sich, was zwei stets lächelnde, stets strümpfig auftretende Südkoreanerinnen binnen fünf Minuten in der guten Stube veranstalten. Weshalb der Wischmop dabei meist trocken bleibt, Dusche und Toilette aber stets gesintflutet sind, wird eines der ungelösten Geheimnisse dieser Olympischen Winterspiele bleiben. Das andere: Wie genau funktioniert eigentlich dieses Appartementtürschloss? Zwar haben wir es nicht in den wachsenden Kreis der sich selbst Aussperrenden geschafft, irgendeine Logik aber haben wir auch nicht erkennen können, wenn so eine HightechSchließanlage montags rot blinkt, dienstags grün, mittwochs lange piepst und donnerstags kurz, Freitag bis Sonntag schließlich wechselweise schweigt oder alles auf einmal tut. Was, wie meinen Sie das? Einfach mal den Chip andersrum dranhal … Dann doch lieber zu Angenehmerem: dem freundlichen, nicht mehr ganz so jungen Herrn, der im Biathlon-Pressezelt freiwillig Dienst tat, stets am Eingang stand und die Tür aufmachte, wann immer man rein wollte oder raus. Dann lächelte er, zeigte die Zähne und sagte „Thank you“. Blinkend haben wir ihn nie gesehen, pfeifen nie gehört. Schweigend ist er uns nie begegnet. „Thank you“, Biathlon-Türsteher.
Ach, und Entschuldigung für das jähe Ende dieser Zeilen. Eine Verabredung ruft. Sie wissen schon: schwarz, hartschalig, störrisch.