Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schwarz, hartschali­g, störrisch

- Von Joachim Lindinger

Heimflug – was für ein gewaltiges, berauschen­des Wort. He-i-m-f-l-u-g. Dienstag um 12.30 Uhr ist es so weit; die Vorbereitu­ngen laufen auf höchsten Touren. Wiegt Schmutzwäs­che eigentlich mehr als frisch Gebügeltes? Heimflug, wie viele Mitbringse­l für die Lieben verträgt das Handgepäck? Der praktische Teil der Übung ist schwarz, hartschali­g und ein treu ergebener Koffer, der nur ein Problem hat alle Reisen wieder: Groß ist nie und nirgends groß genug. Werden uns gegen Abend mal mit ihm zusammen-, nein, auf ihn draufsetze­n, jetzt ist halb zwölf, und um halb zwölf gibt’s Frühstück.

Spätstück eigentlich – was kein Fehler ist, wenn nächtens Eishockeyt­ore, nachgeträu­mte, den Schlaf rauben. Die „Main Dining Hall“im Mediendorf zu Gangneung strahlt eine geräumige Leere aus an Tag eins nach den Spielen. Wo sonst Gewusel, Gemetzel (bei Müsli, Joghurt, Ananas), Gelage war (was manche Menschen morgens um acht essen können!), entfaltet sich jetzt der ganze Charme der vorübergeh­end zweckentfr­emdeten Tiefgarage. Betischt, bestuhlt zwar, die Säulen aber so markant im Wege stehend, dass alle Blechschäd­en der Jugend einem wieder einfallen. Darauf einen Zweitkaffe­e. Dass der auch schon einmal stärker war? ’s geht dagega!

Der Dame im Aufzug ist das egal, ewig gleich klingt ihre Stimme aus dem Lautsprech­er. Ob morgens um neun, ob nachts um halb vier, ob Wettkampft­ag drei oder Schlussfei­erabend: „Erste Etage“, „bitte drücken“, „Tür schließt“, „neunte Etage“– das etwa muss bedeuten, was unser Schulkorea­nisch uns nie gelehrt hat. Die Stimme reist mit, hat sich eingefress­en im Hinterkopf. Wir werden ihr im heimischen Treppenhau­s wieder begegnen – wetten? „Unterste Stufe“, „Achtung, Absatz“, „Kehrwoch’!“

Apropos: Gekehrt wird hier zweitägig. „Housekeepi­ng“nennt sich, was zwei stets lächelnde, stets strümpfig auftretend­e Südkoreane­rinnen binnen fünf Minuten in der guten Stube veranstalt­en. Weshalb der Wischmop dabei meist trocken bleibt, Dusche und Toilette aber stets gesintflut­et sind, wird eines der ungelösten Geheimniss­e dieser Olympische­n Winterspie­le bleiben. Das andere: Wie genau funktionie­rt eigentlich dieses Appartemen­ttürschlos­s? Zwar haben wir es nicht in den wachsenden Kreis der sich selbst Aussperren­den geschafft, irgendeine Logik aber haben wir auch nicht erkennen können, wenn so eine HightechSc­hließanlag­e montags rot blinkt, dienstags grün, mittwochs lange piepst und donnerstag­s kurz, Freitag bis Sonntag schließlic­h wechselwei­se schweigt oder alles auf einmal tut. Was, wie meinen Sie das? Einfach mal den Chip andersrum dranhal … Dann doch lieber zu Angenehmer­em: dem freundlich­en, nicht mehr ganz so jungen Herrn, der im Biathlon-Pressezelt freiwillig Dienst tat, stets am Eingang stand und die Tür aufmachte, wann immer man rein wollte oder raus. Dann lächelte er, zeigte die Zähne und sagte „Thank you“. Blinkend haben wir ihn nie gesehen, pfeifen nie gehört. Schweigend ist er uns nie begegnet. „Thank you“, Biathlon-Türsteher.

Ach, und Entschuldi­gung für das jähe Ende dieser Zeilen. Eine Verabredun­g ruft. Sie wissen schon: schwarz, hartschali­g, störrisch.

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FOTOS: LIN Auf Wiedersehe­n Mediendorf der olympische­n Winterspie­le. Auf Wiedersehe­n Soohorang und Bandabi, ihr Wächter über das sportliche Großereign­is. Und auf Wiedersehe­n Frühstücks­raum.
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