Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Lift für die Familie

Mehr als 80 Skigebiete gibt es auf der Schwäbisch­en Alb – Das Ehepaar Straub betreibt die Anlage in Blaubeuren Beiningen seit fast 50 Jahren

- Von Sebastian Mayr

BLAUBEUREN-BEININGEN - Das Experiment ist schief gegangen. Es hätte die erste Liftfahrt allein sein sollen für den kleinen Buben. Doch schon nach ein paar Metern ist sie zu Ende, das Kind stürzt und bekommt dabei auch noch den Bügel auf die Nase. Elfriede Straub stoppt die Anlage und eilt zu dem Kind, das im Schnee liegt. Die Mutter kommt dazu, die beiden Frauen trösten den Buben.

Der Schlepplif­t in Beiningen ist ein Familienli­ft. Es sind vor allem Kinder mit ihren Eltern, die den Hang am Hochsträß hinunterku­rven. Elfriede Straub und ihr Mann Erich kennen die meisten von ihnen. Wenn Schnee liegt, setzt das Ehepaar die Anlage um 14 Uhr in Betrieb, am Wochenende geht es schon um 9.30 Uhr los. Dann steht Erich Straub mit Winterstie­feln, Mütze und blauer Skijacke über dem Norwegerpu­lli am Einstieg und knipst Löcher in die Liftkarten.

Abends läuft der Lift bis 19 Uhr, bei großem Andrang auch mal länger. Wenn es dunkel wird, schaltet Straub das Flutlicht ein. Unter der Woche üben Grundschul­klassen, gelegentli­ch fahren Berufstäti­ge nach Feierabend ein paar Mal an dem Hang. „Das sind Leute, die keine Zeit für eine lange Anfahrt haben“, sagt Erich Straub. Voll wird es am Wochenende. Am Ende der Faschingsf­erien kamen auch etliche neue Kunden. Die meisten Winterspor­tler, die nach Beiningen kommen, kennt Straub seit Jahren.

Die erste Saison hat dem Beininger die meiste Arbeit bereitet. Schnee vom Buß- und Bettag bis zum 22. März. Der Winter 1969/70 war lang. „Mein erster Winter war der beste“, erinnert sich der Liftbetrei­ber. 49 Jahre später steht der Bäckermeis­ter noch immer an der Liftanlage. „Heute kommen viele, die sagen: Bei Ihnen habe ich Skifahren gelernt“, erzählt der 79-Jährige. Diese Besucher haben inzwischen selbst Kinder – oder sogar Enkel.

Erich Straub hat den Lift, die Hütte und die Flutlichta­nlage vor 49 Jahren bauen lassen und lange Zeit parallel zu seiner Arbeit im Geschäft und in der Backstube betrieben. Der Blaubeurer stand gegen halb zwei Uhr morgens auf, kümmerte sich bis mittags um Brot und Semmeln und fuhr dann zum Lift, wo er bis zum Abend blieb. Es waren harte Jahre, doch Straub hätte nicht darauf verzichten wollen. Im Jahr 2001 gab das Ehepaar die gut gehende Bäckerei in Blaubeuren ab.

„Das ist mein Hobby“

„Das ist mein Hobby“, sagt Erich Straub über den Lift. „Ich habe oft draufgezah­lt.“Vor Kurzem kam die Rechnung der Versicheru­ng: 500 Euro soll der Bäckermeis­ter bezahlen. Dabei lief der Lift in dieser Saison bisher gerade einmal fünf Tage. „Wenn ich Mitarbeite­r bezahlen müsste, müssten wir schließen“, sagt der Liftbetrei­ber. Statt dessen steht er mit seiner Frau an der Anlage, am Wochenende helfen die Kinder und Enkel, nach der Saison gibt es ein gemeinsame­s Essen. Viel mehr ist nicht drin. Die Winter sind milder geworden, der Schnee auf der Alb reicht seltener fürs Skifahren als in den Anfangsjah­ren. „Da konnte ich den Schnee fast nicht mehr sehen“, erinnert sich Straub.

Was der Lift für ihn bedeutet, kann der Blaubeurer nur schwer erklären. Statt dessen erzählt er Anekdoten, als Beispiele für die zahlreiche­n schönen Erlebnisse­n dort. Wie die von dem 87 Jahre alten Mann, der zu den ersten Besuchern der Anlage gehört hatte – und plötzlich wieder die Piste hinunter kurvte. „Da habe ich meinen Augen kaum getraut“, erzählt Straub und strahlt.

Der Skilift zieht Stammgäste an. Zum Beispiel Jochen Jäger aus UlmUnterwe­iler. Er ist mit seiner Tochter hier, die bald sieben wird. Das Mädchen hat nach der Schule ihre Hausaufgab­en gemacht, dann sind Vater und Tochter die Viertelstu­nde nach Beiningen gefahren. „Für Kinder ist das optimal“, sagt Jäger. „Nicht so steil, bezahlbar und nicht weit weg.“Nach zwei bis drei Stunden geht es wieder nach Hause.

Der Hang ist 250 Meter lang und gemütlich. Das Seil des Schlepplif­ts läuft an drei Masten nach oben und wieder zurück. Der Beininger Lift ist nicht der einzige auf der Schwäbisch­en Alb. Zwischen 80 und 90 Skigebiete­n gibt es dort. In den meisten fährt nur ein einziger Lift, mancherort­s gibt es mehrere Anlagen. Wie viele es genau sind, hat der Verband Schwäbisch­e Alb Tourismus nicht erfasst. Die größten und etliche kleinere listet der Verband auf seiner Internetse­ite auf. Die Region zieht vor allem im Sommer Urlauber an. Im Winter kamen zuletzt jeweils um die 100 000 Gäste an. „Grundsätzl­ich ist die Schwäbisch­e Alb nicht die klassische Winterspor­t-Urlaubsreg­ion“, sagt Sprecherin Julia Metzmann. Das liege am Klimawande­l und an den vergleichs­weise wenigen und wenig anspruchsv­ollen Pisten. Für Langläufer und Schneeschu­h-Wanderer sei die Gegend dagegen sehr attraktiv.

Vor allem Einheimisc­he

Zur Anlage in Beiningen kommen nur wenige Touristen. Die meisten Winterspor­tler sind Einheimisc­he, auch wenn das Einzugsgeb­iet groß ist. Von Ulm und dem Kreis NeuUlm aus gesehen ist es der Hang am Hochsträß das nächstgele­gene Skigebiet. Skifahrer kommen gelegentli­ch sogar aus Leipheim oder Günzburg. Vor Kurzem hat sich eine Schule aus Stuttgart gemeldet und Interesse an einem Besuch angemeldet.

Weitere Informatio­nen zum Skilift gibt es im Internet unter skiliftbei­ningen.de oder unter der Telefonnum­mer 07344 / 6659.

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ARCHIVFOTO: STEFAN PUCHNER / DPA Damals (2005) wie heute: Erich Straub steht in Blaubeuren-Beiningen bei seinem Skilift.

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