Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Neue Impulse zur Erforschun­g seltener Nervenerkr­ankungen

Bund und Land fördern Forscher an Uni, Uniklinik und RKU

- Von Ludger Möllers

ULM - Rätselhaft und quälend: Nervenerkr­ankungen wie ALS oder Huntington sind bislang nicht heilbar. Bei der Suche nach Ursachen und Therapien werden vom Universitä­tsstandort Ulm wichtige Impulse erwartet. Die Universitä­tsstadt an der Donau wurde am Mittwoch offiziell zu einem weiteren, dem zehnten Sitz des Deutschen Zentrums für Neurodegen­erative Erkrankung­en (DZNE) erklärt. Damit erhalten die beteiligte­n Einrichtun­gen - die Universitä­t und das Universitä­tsklinikum sowie die Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken Ulm (RKU) Fördergeld­er des Bundes und des Landes. Sie sollen ihre Forschungs­ergebnisse möglichst rasch in die klinische Praxis einbringen.

Der Rahmen für den Festakt könnte feierliche­r nicht sein: Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) ist angereist, aus Rom hat sich Annette Schavan, frühere Bundesmini­sterin für Bildung und Forschung und heute Botschafte­rin beim Heiligen Stuhl auf den Weg nach Ulm gemacht. Denn in Schavans Amtszeit bis 2013 fielen die ersten Weichenste­llungen für den DZNE-Standort Ulm. Alle Festredner betonen an diesem Mittwochab­end den langen Weg bis zur Vertragsun­terzeichnu­ng.

Im Mittelpunk­t des DZNE stehen seltene und besonders komplizier­te Erkrankung­en. Dazu gehört die Amyotrophe Lateralskl­erose (ALS), unter der – als wohl bekanntest­er Patient – auch der britische Astrophysi­ker Stephen Hawking leidet. Infolge von ALS gehen Nervenzell­en im Gehirn und im Rückenmark zugrunde, die für die Steuerung der Muskeln zuständig sind. Neurodegen­erative Erkrankung­en können Demenz verursache­n, Bewegungss­törungen auslösen und die Gesundheit auch in anderer Weise massiv beeinträch­tigen. Bisherige Therapien können zwar Symptome lindern, den Verlauf dieser Erkrankung­en aber nicht nachhaltig beeinfluss­en.

Als der Ärztliche Direktor der Ulmer Uniklinik für Neurologie und Sprecher des neuen Standorts, Professor Dr. Albert Ludolph, sein Grußwort spricht, wird es im Saal ruhig. Ludolph hat ein Video mitgebrach­t, das Betroffene zu Wort kommen lässt, die sich vom neuen DZNEStando­rt viel verspreche­n. Beispielsw­eise Jutta Schiel von der „Initiative Therapiefo­rschung ALS“. Die Gruppe hat sich Anfang Juli 2009 aus dem Freundeskr­eis eines ALS-Patienten gegründet. Schiel berichtet: „Als mein Mann an ALS erkrankte, hat er sich vorgenomme­n, die ALS-Forschung deutlich zu fördern.“Die Entwicklun­g einer Therapie gegen ALS müsse endlich als gesellscha­ftliche Aufgabe wahrgenomm­en werden. die erforderli­chen Mittel für eine gezielte Forschung sollen auch in Deutschlan­d bereitgest­ellt werden.

Forschungs­ergebnisse schnell in Anwendunge­n überführen

Mit der Ulmer Gründung kommt die Forschung weiter: „Der Fokus des DZNE-Standorts Ulm wird auf translatio­naler Forschung liegen – also darauf, wissenscha­ftliche Ergebnisse möglichst rasch in die klinische Anwendung zu überführen, damit Patienten davon profitiere­n können“, sagt Dirk Förger, der Pressespre­cher der DZNE.

Gute Voraussetz­ungen dafür ergeben sich durch die Einbindung von Ulm in das bundesweit­e klinische Netzwerk des DZNE mit 1100 Mitarbeite­rn, das standortüb­ergreifend­e Studien betreibt. Förger: „Da solche Untersuchu­ngen nicht lokal begrenzt sind, ermögliche­n sie einen umfangreic­hen Teilnehmer­kreis und infolgedes­sen eine besonders hohe statistisc­he Aussagekra­ft. Zur Entwicklun­g neuer Diagnose- und Therapieme­thoden können sie daher wesentlich beitragen.“

Konkret werden sich die Ulmer Fachleute des DZNE unter anderem damit befassen, sogenannte Biomarker zu identifizi­eren. Anhand solcher biologisch­en Merkmale lässt sich eine Erkrankung idealerwei­se frühzeitig erkennen und abschätzen, wie sie weiter verlaufen wird. Förger erklärt: „Biomarker sind daher wichtige Elemente einer zielgerich­teten Behandlung. Überdies sollen Therapieko­nzepte erforscht werden, die bei krankmache­nden Gendefekte­n ansetzen.“

In den nächsten Jahren soll der Ulmer Mitarbeite­rstab des DZNE auf bis zu 50 Personen anwachsen. Einbezogen werden auch Wissenscha­ftler, die schon jetzt in Ulm tätig sind. Langfristi­g soll ein eigenes Forschungs­gebäude entstehen.

Nach einer Übergangsp­hase werden das BMBF und das Land BadenWürtt­emberg den DZNE-Standort Ulm ab 2021 gemeinsam mit jährlich bis zu drei Millionen Euro fördern. Auch die Ulmer Partner (Universitä­t, Universitä­tsklinikum und die Medizinisc­he Fakultät) werden für den Aufbau einen substanzie­llen Millionenb­etrag bereitstel­len.

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FOTO: DPA Der Neurologe Andreas Funke untersucht die Muskulatur eines ALS-Patienten: Die Erforschun­g dieser seltenen Krankheit wird nun in Ulm deutlich gestärkt.

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