Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Artenvielfalt ist in Gefahr
Umweltgruppen wollen Kommunen, Landwirte und Gartenbesitzer zu Verbündeten machen
ULM - Im Sommer zwitschert es immer weniger in den Gärten. Im Winter lässt das Gedränge am Vogelhaus nach. Daniela Fischer, die Regionalgeschäftsführerin des Bund Naturschutzes (BUND) ist überzeugt, dass das Vogel- und Insektensterben auch in der Region längst eingesetzt hat. Innerhalb der vergangenen 30 Jahre sei die Anzahl einzelner Arten in Deutschland um 80 Prozent zurückgegangen. Wie Vogelzählungen erahnen lassen, bilde der Großraum Ulm hier keine Ausnahme. „Die Zeit drängt“, sagt Fischer. Es gehe letztlich um eine bedrohte Lebensgrundlage.
Vor diesem Hintergrund setzten sich in den vergangenen Monaten sämtliche größeren Naturschutzakteure an einen Tisch und verfassten einen „Regionalen Aktionsplan“, der dazu beitragen soll, die Bedingungen für heimische Pflanzen und Tiere zu verbessern. Im Papier des BUND, Bezirksimkervereins, Bündnis für eine gentechnikfreie Region, Naturschutzbund Deutschland (Nabu), Naturfreunde, Albverein, Biosphärengebiet Schwäbische Alb sowie Gemeinsam Gärtnern werden acht Punkte abgesteckt, in denen der dringlichste Handlungsbedarf bestehe. Beispielsweise geht es darum, Streuobstwiesen zu erhalten. „Die wertvollsten Lebensräume, die wir haben“, wie es Fischer ausdrückt, seien in Gefahr. Der Hermannsgarten etwa, am Schulzentrum auf dem Kuhberg, sei offenbar längst durch seine gute Lage an der im Bau befindlichen neuen Straßenbahnlinie, für eine Bebauung vorgesehen. Denn auf der ehemals städtischen Obstplantage, die vom BUND Ulm der 1990erJahre in Obhut genommen wurde, sei es den Naturschützern untersagt worden, ein neues Eingangstor zu bauen. Die Begründung: Alles, was einen dauerhaften Charakter habe, sei verboten.
Kritik am häufigen Mähen
Der Bezirksimkerverein um Martin Denoix ist derzeit dabei, eine Liste von Flächen zu erstellen, bei denen aus naturschutzfachlicher Sicht zu oft gemäht werde. Im Örlinger Tal etwa oder rund um den VfL Ulm würden Wiesen zu oft gemäht, was auf Kosten von Kleintieren und der Kräuter- und Gräservielfalt gehe. Am schlimmsten seien „Tierschredderer“, wie Sabine Brandt (Nabu) Mulch-Geräte nennt.
Ein Anliegen des Bündnisses ist es auch, die Kommunen zu sensibilisieren. Wie Wolfgang Wohnhas vom Albverein betonte, seien die Bereiche direkt neben Landstraßen ein wichtiges Rückzugsgebiet zahlreicher Kleintiere und seltener Pflanzen, weil hier kein Dünger und keine Pestizide ausgebracht werden. Längst gebe es Richtlinien der Landesregierung zu einer ökologisch orientierten Pflege von Gras- und Gehölzflächen an Straßen. Doch diese würden nicht angewandt. Anstatt nur einen Streifen an der Straße zu mähen, werde mit großem Gerät alles platt gemacht.
Ein ähnliches Problem erkennen die vereinten Naturschützer in der Umsetzung von Bebauungsplänen. Wie Robert Jungwirth (BUND) sagt, sei zwar bei der Erschließung der Grünausgleich verbindlich geregelt, doch es gebe Untersuchungen, dass faktisch maximal die Hälfte dieser Vorschriften eingehalten werde. „Es gibt keine Kontrolle“, sagt der Wippinger. Die Gemeinden müssten für dieses Thema sensibilisiert werden.
Die wichtigsten „Partner“für die Rettung der Artenvielfalt sehen die Naturschützer in den Landwirten. Dem „tödlichen Trio“, wie es Theo Düllmann (Bündnis für eine gentechnikfreie Region), ausdrückte, müsse Einhalt geboten werden. Überdüngung, Pestizide und riesige Monokulturen seien einer der Hauptgründe für den Rückgang der Arten. Die Naturschützer wollen auf Landwirte zugehen und neben einem Verzicht von Glyphosat, dem meistverkauften Unkrautvernichtungsmittel der Welt, für mehr Sensibilität werben.
So sei es etwa Gift für die Artenvielfalt, wenn Feldwege gekiest würden. Denn so würde sie ihre Funktion als biologische Brücke zwischen Lebensräumen verlieren. Und wenn Felder gemäht werden, solle immer ein Streifen stehen gelassen werden, der erst später gekürzt werde. So könne ein wichtiger Fluchtraum für Tiere entstehen. Auch jeder Gartenbesitzer könne einen Beitrag leisten, so Antje Liskien-Diener von Gemeinsam Gärtnern. Die moderne Schotter-Kies-Ästhetik lasse nämlich Pflanzen und Tieren keine Chance.
In den nächsten Wochen will das Bündnis auf Landwirte, Kommunen und dem Ottonormalverbraucher Hilfe bei der Umsetzung des Aktionsplans anbieten. Neben Flyern und Infoständen ist auch eine Podiumsdiskussion in Planung.