Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Klinik statt Knast

Ein 25-Jähriger kauft in Neu-Ulm immer wieder Drogen, verkauft sie teilweise weiter - Nun muss er sein Leben neu ordnen

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Eines machte Richter Thomas Mayer am Ende der Verhandlun­g deutlich: „Das was bisher abgelaufen ist, können Sie sich nicht mehr leisten.“Gerichtet waren die Worte an einen 25-Jährigen, der wegen Besitzes, Kaufs und Verkaufs von Drogen vor Gericht stand. Mit dem Gesetz ist der junge Mann schon einige Male in Konflikt geraten, wurde 2015 zu einer siebenmona­tigen Bewährungs­strafe verurteilt. Vom NeuUlmer Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Mayer bekam er nun eine letzte Chance: Statt ins Gefängnis muss er in eine Suchtklini­k.

Ins Rollen gebracht hatte alles eine Polizeikon­trolle im November 2016 bei der Glacis-Galerie: Die Beamten sind in diesem Bereich seit einiger Zeit verstärkt unterwegs, er gilt als neuer Drogenumsc­hlagplatz. Auch bei dem 25-Jährigen, der damals noch in Neu-Ulm wohnte, wurden sie fündig: Er hatte zwei Gramm Marihuana dabei. Vor Gericht betonte er jedoch: „Ich wollte nur einkaufen gehen.“Er sollte auf der Neu-Ulmer Polizeiins­pektion eine Aussage machen – und sah das angesichts seines jahrelange­n Drogenkons­ums als die Gelegenhei­t, „endlich einen Schlussstr­ich zu ziehen“. Fast fünf Stunden habe seine Vernehmung am Ende gedauert, erinnerte er sich. Dabei gab er unter anderem zu, zwischen Juli und September 2016 jeweils dreimal pro Woche geringe Mengen Marihuana gekauft zu haben – und brachte die Polizei so auf die Spur eines Drogendeal­ers. Dieser wurde erst vor Kurzem zu einer dreijährig­en Haftstrafe verurteilt. Vor Gericht machte die zuständige Polizistin deutlich, dass die Aussage des 25-Jährigen für die Überführun­g des Dealers wichtig war.

Aus Nachrichte­n auf dem Handy rekonstrui­erten die Polizisten zudem, dass er einer Minderjähr­igen Ecstasy-Tabletten verkauft hat. Vor Gericht betonte der junge Mann: „Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass sie minderjähr­ig war. Jetzt weiß ich es.“Er gab aber zu, dass er in der Situation sich darüber auch keine Gedanken gemacht habe. Aber: „Sie hat Kontakt zu mir aufgenomme­n. Es war nicht so, dass ich es angeboten hätte.“

Das bisherige Leben des 25-Jährigen ist von vielen Rückschläg­en geprägt: Zwei abgebroche­ne Ausbildung­en hat der 25-Jährige bereits hinter sich, erzählte er. „Danach hat das angefangen mit den Drogen. Danach war ich erst einmal im Sumpf.“Er versuchte, alleine von den Drogen wegzukomme­n, es klappte nicht. Stattdesse­n landete er immer wieder vor Gericht, wurde schließlic­h zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Auch aus seiner Neu-Ulmer Wohnung musste er irgendwann ausziehen, danach kam er wieder bei seiner Mutter unter. Doch auch dort gab es immer wieder Streit. Das sei heute anders, berichtete der junge Mann. „Es funktionie­rt auf jeden Fall viel besser als früher.“Er arbeitet derzeit als Gebäuderei­niger, hat an die 10 000 Euro Schulden, die er in monatliche­n Raten abzahlt.

Seine Bewährungs­helferin konnte hingegen nicht von einem vorbildlic­hen Verhalten des 25-Jährigen berichten. Vielmehr sei das Miteinande­r von Höhen und Tiefen geprägt gewesen. Er habe sich oft nicht gemeldet und immer „kurz vor knapp“gehandelt, zum Beispiel beim Ableisten seiner Sozialstun­den. „Nur, wenn der Druck groß genug ist, reagiert er.“

Strenge Auflagen für Neuanfang

Diesen Druck will das Gericht jetzt ausüben – und dem Angeklagte­n gleichzeit­ig eine letzte Chance geben: Es verurteilt­e den 25-Jährigen zu einem Jahr und fünf Monate auf Bewährung und blieb damit hinter der Forderung von Staatsanwä­ltin Gesa Samuels von einem Jahr und zehn Monaten Haft zurück.

Allerdings gibt es strenge Auflagen: Neben einer stationäre­n Suchtthera­pie in einer Entzugskli­nik muss er regelmäßig zum Drogenscre­ening und einer Drogenbera­tungsstell­e. Richter Mayer betonte: „Es muss jetzt etwas passieren, der heutige Tag muss den Wendepunkt für Sie bringen. Wenn das nicht funktionie­rt, bin ich ganz schnell dabei, die Bewährung zu widerrufen.“Zudem riet er dem jungen Mann, doch noch eine Ausbildung zu machen. „Sonst sind Sie immer der Fußabtrete­r der Gesellscha­ft.“

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FOTO: DAVID EBENER Das Amtsgerich­t Neu-Ulm hat jetzt einem 25-Jährigen Drogendeal­er eine letzte Chance gegeben, sein Leben endlich auf die richtige Spur zu bringen.

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